Insbesondere, wenn Einschränkungen der gesundheitlichen Eignung von Beschäftigten in Bezug auf die vorgesehenen oder ihnen übertragenen Tätigkeiten zu besonderen Gefahren für Leib oder Leben anderer Beschäftigter führen würden, sind Eignungsbeurteilungen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen aus Sicht der gesetzlichen Unfallversicherung gerechtfertigt.

Wichtigste Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen arbeitsrechtlichen Regelung ist deren Verhältnismäßigkeit. Dazu müssen die Interessen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin an der Durchführung der Eignungsbeurteilung die entgegenstehenden Interessen des bzw. der zur Eignungsbeurteilung verpflichteten Beschäftigten überwiegen (vgl. ArbG Hamburg, Urteil vom 01.09.2006 – 27 Ca 136/06). Dies ist insbesondere denkbar, wenn die Ausführung der Tätigkeit im Falle nicht (mehr) vorliegender Eignung des bzw. der Beschäftigten Leib und Leben anderer Personen oder Sachen von erheblichem Wert gefährden würde und die Eignungsbeurteilung demgegenüber nur eine geringe Belastung für den Beschäftigten bzw. die Beschäftigte mit sich bringt.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
geeignet Maßnahme ist zur Erreichung des Zwecks geeignet.
erforderlich Es gibt kein milderes gleich geeignetes Mittel zur Erreichung des Zwecks.

angemessen

(verhältnismäßig im engeren Sinne)
Der beabsichtigte Zweck steht nicht außer Verhältnis zum Mittel.

Aus Anforderungsprofil, Unfall- sowie Beinahe-Unfallgeschehen und ggf. ergänzend Erkenntnissen aus der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) kann sich z. B. eine besondere Gefährdungslage ergeben, die ärztliche Eignungsfeststellungen aufgrund von Eigen- und/oder Drittschutzaspekten erforderlich macht, wenn ein milderes Mittel nicht ersichtlich ist, um die Eignung auch ohne Untersuchung festzustellen.

Da bei Eignungsbeurteilungen insbesondere in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten, aber je nach Untersuchungsumfang auch in die körperliche Unversehrtheit (z. B. Entnahme einer Blutprobe) eingegriffen wird, müssen diese Eingriffe verhältnismäßig sein.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind Möglichkeiten technischer und organisatorischer Arbeitsschutzmaßnahmen vorrangig zu berücksichtigen, wenn sie dem Stand der Technik entsprechen (§ 4 Nr. 3 und 5 ArbSchG) und mit verhältnismäßigem Aufwand realisiert werden können.

Die Verhältnismäßigkeit bezieht sich insbesondere auf den konkreten Untersuchungsumfang. Verhältnismäßig sind Eignungsbeurteilungen, wenn sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen) sind.

Geeignet ist die Untersuchung, wenn mit ihr die angestrebte Eignungsfeststellung erzielt werden kann. Zudem muss die Untersuchung erforderlich sein. Das bedeutet, dass sie unter mehreren denkbaren Alternativen das mildeste Mittel zur Eignungsfeststellung darstellt.

Ist die Eignung durch eine andere, gleichermaßen geeignete Maßnahme feststellbar (Test, Befragung etc.), stellt die Untersuchung nicht das mildeste Mittel dar. Zudem muss die Untersuchung verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Das setzt voraus, dass die vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin mit der Untersuchung verfolgten Interessen in einer Abwägung die entgegenstehenden Interessen der bzw. des Beschäftigten überwiegen.

Genetische Untersuchungen darf der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin weder vor noch nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses von Beschäftigten verlangen oder deren Ergebnisse entgegennehmen (§ 19 GenDG). Dieses gesetzliche Verbot gilt nach § 22 GenDG ausdrücklich auch für Beamtinnen und Beamte.

 
Aufgrund der im Einzelfall schwierigen Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Eignungsbeurteilungen sollte ein hoher Maßstab an die Ermittlung und Dokumentation der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Erforderlichkeit einer Untersuchung und ihr konkreter Umfang ergeben sollen, gelegt werden.

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