Rz. 238

Mit seinem Beschluss vom 7.11.2006 hat das BVerfG die früheren Regelungen im Erbschaftsteuer- und im Bewertungsgesetz, mit denen Grundstücke und Betriebsvermögen häufig nur mit einem Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes bewertet wurden, für verfassungswidrig erklärt.[199] Jegliches Vermögen soll seitdem (weitgehend) mit dem "gemeinen" (marktüblichen) Wert ("Verkehrswert") bewertet werden. In das Gesetz wurden neue Bewertungsverfahren aufgenommen, die zumindest verkehrswertnahe Werte ergeben sollen.

[199] BVerfG, Beschl. v. 7.11.2006 – BvL 10/02, BStBl II 2007, S. 192 ff. Zu der steuerlichen Entlastung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen sowie für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke vgl. unten Rdn 283 ff.

a) Vermögensarten

 

Rz. 239

In § 18 BewG sind Vermögensarten genannt, für die eine gesonderte Bewertung erfolgt:

Land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 3367 BewG)
Grundvermögen (§§ 6894 BewG)
Betriebsvermögen (§§ 95109 BewG).
 

Rz. 240

Die Bewertungsvorschriften für Grundbesitz, von nichtnotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für erbschaftsteuerliche Zwecke ab 1.1.2009 sind in den §§ 157203 BewG geregelt.

 

Rz. 241

Auch für die Bewertung von ausländischen Sachvermögen gilt nach § 31 BewG insbesondere der "gemeine Wert" nach § 9 BewG. Diese Vorschrift gilt auch für die ausländischen Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die sich sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland erstreckt. Für inländische Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die sich sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland erstreckt, gilt § 32 S. 2 BewG.

b) Bewertung von Grundbesitz

 

Rz. 242

Nach § 179 BewG werden unbebaute Grundstücke nach ihrer Fläche, multipliziert mit den von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerten nach § 196 BauGB, bewertet.

 

Rz. 243

Der Wert bebauter Grundstücke ist abhängig von ihrer Nutzungsart entweder nach dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren zu ermitteln (§ 182 BewG).

Beim Vergleichswertverfahren wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen für nach Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstigen Kriterien vergleichbaren Grundstücken abgeleitet. Dieses Verfahren kommt grundsätzlich für Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser zur Anwendung (§ 182 Abs. 2 BewG).

Das Ertragswertverfahren wird für "Renditeobjekte" angewandt, bei denen die nachhaltig erzielbare Miete im Vordergrund steht. Dies sollen Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke sein, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt (§ 182 Abs. 3 BewG).

Das Sachwertverfahren bleibt demgegenüber Objekten vorbehalten, bei denen regelmäßig nicht der (mögliche) Ertrag, sondern andere Kriterien im Vordergrund stehen (z.B. selbstgenutztes Einfamilienhaus mit hochwertiger Ausstattung), also Grundstücke i.S.d. § 182 Abs. 2 BewG, wenn kein Vergleichswert vorliegt, und solchen i.S.d. § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG, bei denen sich eine ortsübliche Miete nicht ermitteln lässt, sowie sonstigen bebauten Grundstücken (§ 182 Abs. 4 BewG).

 

Rz. 244

Vorschriften für die Bewertung von "Sonderfällen", wie z.B. von Erbbaurechten, erbbaurechtsbelasteten Grundstücken oder Gebäuden auf fremden Grund und Boden, sind in den §§ 192197 BewG geregelt.

 

Rz. 245

Bei allen Bewertungsverfahren ist es dem Steuerpflichtigen unbenommen, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen (§ 198 BewG). Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.

c) Bewertung von nichtnotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und Betriebsvermögen (Einzelunternehmen und Mitunternehmeranteile)

 

Rz. 246

Nichtnotierte Anteile an Kapitalgesellschaften, Einzelunternehmen und Mitunternehmeranteile können nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet werden wenn dieses Bewertungsverfahren nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§§ 199 ff. BewG). Grundlage der Wertermittlung ist der nachhaltig zu erzielende Jahresertrag, der aus den Ergebnissen der Vergangenheit abgeleitet werden kann (§ 201 BewG). Zur Ermittlung des Jahresertrages ist das Betriebsergebnis um die die in § 202 BewG genannten Hinzurechnungen und Kürzungen zu korrigieren. Der so ermittelte Jahresertrag ist mit dem nach § 203 BewG ermittelten Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren.

 

Rz. 247

Der Kapitalisierungsfaktor ist der Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes. Der Kapitalisierungszinssatz wurde bis zum 31.12.2015 aus dem Basiszinssatz, der jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres ermittelt und jährlich vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht wird, zzgl. 4,5 % berechnet. Der Basiszinssatz wurde im Januar 2014 auf 2,59 % festgesetzt; hieraus ergab sich für das Jahr 2014 ein Kapitalisierungsfaktor von 14,1. Ein Unternehmen wurde daher nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren mit dem 14,1-Fachen des korrigierten Jahresergebnisses besteuert; ein Wert, der nur selten durchsetzbar sein dürfte. Im Zweifel musste der Steuerpflichtige daher durch ein individuelles...

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