Rz. 2

Dem Kern nach ist auch die Zugewinngemeinschaft eine Gütertrennung, denn während der Ehe entsteht keine Gemeinschaft. § 1363 Abs. 2 BGB bestimmt, dass das Vermögen der Frau und das Vermögen des Mannes während der Ehe nicht zu einem gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten verschmelzen. Jeder Ehegatte bleibt Eigentümer seines jeweiligen Vermögens.

 

Rz. 3

Damit einhergehend haftet auch jeder Ehegatte allein für seine Verbindlichkeiten, die er vor oder während der Ehe eingegangen ist. Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube in der Bevölkerung, dass die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft für Schuldverbindlichkeiten des anderen Ehegatten per Gesetz haften. Eine solche Haftung für Verbindlichkeiten, die der andere Ehegatte eingegangen ist, kennt das Gesetz nur ausnahmsweise in Form des § 1357 BGB (sogenannte Schlüsselgewalt).

 

Rz. 4

Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1364 BGB verwaltet auch jeder Ehegatte im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes sein Vermögen selbstständig. Jeder Ehegatte kann also grundsätzlich frei entscheiden, was er mit seinen Vermögenswerten tut oder unterlässt. Beschränkungen dieser Verwaltungsfreiheit ergeben sich aber nach Maßgabe der §§ 13651369 BGB.

2.1 Verfügungen über Vermögen im Ganzen

 

Rz. 5

§ 1365 BGB regelt, dass ein Ehegatte sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten kann, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Die Vorschrift des § 1365 BGB bezweckt zweierlei: Zum einen soll sie die Anwartschaft der Ehegatten auf den Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes schützen.[1] Zum anderen soll sie verhindern, dass ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen Ehegatten durch Weggabe seines gesamten Vermögens der Familie ihre wirtschaftliche Grundlage entziehen kann.[2] § 1365 BGB gilt nur für Verfügungen während bestehender Ehe.

 

Rz. 6

Unter die Begrifflichkeit der "Verfügung" fallen nur rechtsgeschäftliche Verpflichtungen, nicht dagegen die Begründung einer Verpflichtung kraft Gesetzes oder kraft behördlicher oder gerichtlicher Verfügungen. Dabei muss sich das Rechtsgeschäft nach herrschender Meinung unmittelbar auf das Vermögen beziehen.[3] Erbrachte Gegenleistungen, wie z. B. die Zahlung des Kaufpreises, sind unbeachtlich. Die reine Eingehung von Zahlungsverbindlichkeiten fällt, weil sie das Vermögen nicht unmittelbar betrifft, nicht unter § 1365 BGB.[4]

 

Beispiel

Ein Ehegatte, der über ein Gesamtvermögen von 30.000 EUR verfügt, kann ohne Zustimmung des anderen Ehegatten einen Kaufvertrag über einen Konsumgegenstand, der 30.000 EUR kostet, abschließen. Möchte dieser Ehegatte den Konsumgegenstand später wieder verkaufen, muss der andere Ehegatte zustimmen, wenn der Gegenstand sein gesamtes Vermögen darstellt.

 

Rz. 7

Bei § 1365 BGB handelt es sich um ein absolut wirkendes Veräußerungsverbot[5] mit der Folge, dass die Vorschriften über den Schutz gutgläubiger Dritter nicht zur Anwendung gelangen können.

 

Empfehlung:

Sind Verfügungen über Vermögen im Ganzen im Sinne des § 1365 BGB zu befürchten, ist auch an einen vorzeitigen Zugewinnausgleich nach den §§ 1385 f. BGB zu denken.

[4] OLG Rostock, Urteil v. 11.5.1995, 1 U 350/94, FamRZ 1995, 1583.
[5] Siede, in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1365 Rn. 1.

2.1.1 Der Begriff "Vermögen im Ganzen"

 

Rz. 8

Der gesetzlich verwendete Begriff "Vermögen im Ganzen" ist nach der herrschenden Einzeltheorie[1] so zu verstehen, dass § 1365 BGB auch dann gilt, wenn sich das Rechtsgeschäft auf einen einzelnen Vermögensgegenstand bezieht, dieser im Ergebnis aber nahezu das gesamte Vermögen ausmacht. Für die Frage, ab wann wertmäßig das Vermögen im Ganzen erreicht ist, muss ein Vergleich zwischen dem veräußerten und dem noch vorhandenen Vermögen vorgenommen werden. Bei größeren Vermögen bleibt das Rechtsgeschäft zustimmungsfrei, wenn dem Ehegatten mindestens 10 % des Vermögens verbleiben.[2] Bei kleineren Vermögen liegt diese Grenze bei 15 %. Andersherum gesagt, handelt es sich um eine Verfügung über Vermögen im Ganzen, wenn der verfügende Ehegatte mindestens 90 % (bei größeren Vermögen) bzw. 85 % (bei kleineren Vermögen) weggibt. Der Vermögensbegriff im Sinne des § 1365 BGB ist nach ganz herrschender Meinung begrenzt auf das Aktivvermögen[3], sodass das Nettovermögen als Differenz zwischen Aktiva und Passiva nicht relevant ist. Persönliche Verbindlichkeiten bleiben daher bei der Prüfung, ob das "Vermögen im Ganzen" übertragen worden ist, außer Betracht.

 

Beispiel

Verfügt ein Ehegatte über ein Aktivvermögen von 150.000 EUR bei gleichzeitig bestehenden Verbindlichkeiten von 100.000 EUR, ist bei der Beurteilung, ob das Vermögen im Ganzen betroffen ist, auf die 150.000 EUR abzustellen und nicht etwa auf 50.000 EUR (Differenz zwischen Aktiva und Passiva).

Etwas anderes gilt aber für dingliche Belastungen von Vermögensgegenständen, was insbesondere bei Immobilienvermögen zu berücksichtigen ist. Lange Zeit war umstritten, ob bei der Veräußerung e...

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