3.1 Schutzgegenstand

Da Geschichte nicht nur durch Einzelbaudenkmäler überliefert wird, sondern viele bauliche Anlagen nur verständlich sind, wenn sie in ihren historisch gewachsenen Zusammenhängen erhalten bleiben, schützen die Denkmalschutzgesetze nicht nur Einzelobjekte, sondern auch Mehrheiten von baulichen Anlagen (sog. Ensembles).

Dabei reichen die gesetzlichen Bezeichnungen in föderaler Vielfalt von

  • Gesamtanlagen über
  • Ensembles bzw. Denkmalensembles,
  • Denkmalbereiche,
  • Gruppen von baulichen Anlagen,
  • Denkmalzonen bis hin zu
  • Denkmalschutzgebieten.

Trotz dieser Definitionsvielfalt lassen sich inhaltlich 2 Grundtypen unterscheiden:

Enger Ensemblebegriff

Hier wird in den Denkmalschutzgesetzen an den ursprünglichen Ensemblebegriff der Denkmalpflege angeknüpft und als Ensemble eine Gruppe von Bauten oder eine Mehrheit von baulichen Anlagen definiert, die aufgrund ihres gesamtheitlichen Aussagegehalts die Voraussetzungen des Ensembleschutzes erfüllen.

 
Bundesland gesetzliche Regelung
Bayern Art. 1 Abs. 3 BayDSchG
Bremen § 2 Abs. 2 Nr. 2 BremDSchG
Hamburg § 4 Abs. 1 und Abs. 3 DSchG HH
Niedersachsen § 3 Abs. 3 DSchG NI
Schleswig-Holstein § 1 Abs. 2 Nr. 1 DSchG SH

Darunter fallen etwa Burganlagen, Schlösser mit Park und Wassergraben, Werks- oder Arbeitersiedlungen bis hin zu Stadtvierteln oder ganze Altstädte, die eine Gruppe von baulichen Anlagen bilden.

Weiter Ensemblebegriff

Andererseits ist in der Begriffsdefinition der traditionelle Ensemblebegriff zwar noch erkennbar, er wird aber um solche Merkmale erweitert, die nur noch mittelbar an bauliche Anlagen anknüpfen, sodass etwa auch Stadtgrundrisse, Stadtsilhouetten oder Stadtbilder als Ensemble geschützt werden.

 
Bundesland gesetzliche Regelung
Baden-Württemberg § 19 Abs. 1 DSchG BW
Berlin § 2 Abs. 3 DSchG Bln
Brandenburg § 2 Abs. 3 BbgDSchG
Hessen § 2 Abs. 3 HDSchG
Mecklenburg-Vorpommern § 2 Abs. 3 DSchG M-V
Nordrhein-Westfalen § 2 Abs. 3 DSchG NRW
Rheinland-Pfalz § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 DSchG RP
Saarland § 3 Abs. 2 DSchG SL
Sachsen § 21 SächsDSchG
Sachsen-Anhalt § 2 Abs. 2 DSchG ST
Thüringen § 2 Abs. 2 ThürDSchG

Vereinfacht gesprochen lässt sich also zwischen einem engeren und einem weiteren Ensemblebegriff in den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer unterscheiden, der in allen Ländern Mehrheiten baulicher Anlagen entweder unmittelbar oder mittelbar mit umfasst.

Dabei ist nicht erforderlich, dass jeder einzelnen baulichen Anlage des Ensembles selbst Denkmalwert zukommt, um unter den Denkmalschutz als Teil eines Ensembles zu fallen. Diese zum Teil ausdrücklich normierte Erkenntnis resultiert aus der Tatsache, dass ein Bauensemble keine Ansammlung von Einzeldenkmalen ist und seinen Denkmalwert auch nicht dadurch erfährt, dass einige bauliche Anlagen um ein Einzeldenkmal angeordnet sind, sondern sich sein Denkmalwert aus dem Zusammenwirken oder der Zuordnung der Objekte selbst erschließt, woraus sich seine historische Bedeutung ergibt. So können etwa in Niedersachsen historische Siedlungen, die aus lauter gleichartigen und für sich genommen unbedeutenden Einzelgebäuden bestehen, durchaus die Voraussetzung für ein Bauensemble (eine Gruppe baulicher Anlagen) erfüllen.[1]

[1] Vgl. OVG Lüneburg, Urteil v. 8.6.1998, 1 L 3501/96, NVwZ-RR 1999, 230.

3.2 Schutzgründe

Geschichtlich-historische Bedeutung einer Mehrheit baulicher Anlagen

Ohne auf die eher als geringfügig zu bewertenden Abweichungen bei der Definition der Schutzgründe in den einzelnen Denkmalschutzgesetzen eingehen zu müssen, lässt sich feststellen, dass entscheidend für den Ensembleschutz die geschichtlich-historische Bedeutung einer Mehrheit baulicher Anlagen ist. Nicht anders als beim Einzeldenkmal ist die historische Bedeutung auch für die Unterschutzstellung eines Bauensembles ausschlaggebend. Dabei kann sich die historische Bedeutung eines Ensembles nach den meisten Denkmalschutzgesetzen auch aus städtebaulichen Gründen ergeben, die vor allem dann vorliegen, wenn es aufgrund seines kunst- oder architekturgeschichtlichen Aussagewertes oder als typisches Beispiel für eine charakteristische bauliche Entwicklung, Aussagekraft entfaltet.

Öffentliches Erhaltungsinteresse

Ebenso wie bei Einzelbaudenkmälern findet bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Ensembles aus den in den Landesdenkmalschutzgesetzen genannten Gründen eine Abwägung von miteinander konkurrierenden Belangen nicht statt. Deshalb spielen weder der schlechte Zustand der Bausubstanz noch die Renovierungsbedürftigkeit[1] oder der finanzielle Erhaltungsaufwand der betroffenen Eigentümer[2] eine Rolle. Diese Gesichtspunkte sind nicht bei der Frage zu berücksichtigen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines Bauensembles vorliegen, sondern erst im Rahmen der nach Maßgabe des jeweiligen denkmalrechtlichen Genehmigungsvorbehalts zu fällenden Entscheidung über die Genehmigung oder Versagung einer Veränderung an einer baulichen Anlage, die Teil des Ensembles ist.

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