Leitsatz

Von dem Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG werden nur Abstimmungen über Beschlussgegenstände erfasst, die verfahrensrechtliche Maßnahmen betreffen, worunter insbesondere Beschlüsse über die Einleitung des Rechtsstreits, die Art und Weise der Prozessführung und die Frage der verfahrensrechtlichen Beendigung fallen; dass eine Beschlussfassung Auswirkungen auf den Rechtsstreit in materiell-rechtlicher Hinsicht hat oder haben kann, genügt nicht.

 

Fakten:

Einer der Wohnungseigentümer nahm eigenmächtig massive bauliche Veränderungen vor. Insoweit beschritt ein anderer Eigentümer den Rechtsweg und begehrt Beseitigung dieser baulichen Veränderungen. Das Verfahren ist noch nicht beendet. Zwischenzeitlich haben die Eigentümer - mit Ausnahme des klagenden Eigentümers - die baulichen Veränderungen durch Beschlussfassung genehmigt. Am Abstimmungsvorgang hatte auch der Eigentümer teilgenommen, der die baulichen Veränderungen vorgenommen hatte. Die entsprechenden Beschlüsse wurden seitens des klagenden Eigentümers unter anderem mit der Begründung angefochten, der Eigentümer, der die baulichen Veränderungen vorgenommen hatte, hätte am Abstimmungsvorgang nicht teilnehmen dürfen, da er dem Stimmverbot des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG unterlegen hätte. Hiernach ist ein Eigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Eigentümer gegen ihn betrifft.

Der BGH hat entschieden, dass vorbezeichnetes Stimmverbot vorliegend nicht greift. Das Stimmrecht der Eigentümer gehört zu dem Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte. Es bildet ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten und darf lediglich ausnahmsweise unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Mit der Regelung des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG soll insoweit lediglich sichergestellt werden, dass die prozessuale Willensbildung frei von den Interessen des Prozessgegners getroffen wird. Von dem Stimmrechtsverbot sind also Abstimmungen über Gegenstände nicht betroffen, die kein verfahrensrechtliches Verhalten betreffen. Dies gilt selbst dann, wenn die nicht auf verfahrensrechtliche Maßnahmen bezogene Beschlussfassung Auswirkungen auf den Rechtsstreit in materiell-rechtlicher Hinsicht hat oder haben kann. Vor diesem Hintergrund scheiterten die Beschlüsse nicht an dem Stimmrechtsverbot des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG. Mit diesen Beschlüssen sollte der durch den Eigentümer in rechtswidriger Weise herbeigeführte bauliche Zustand gebilligt werden. Verfahrensrechtliche Maßnahmen wurden nicht beschlossen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 14.10.2011, V ZR 56/11BGH, Urteil vom 14.10.2011 –, V ZR 56/11

Fazit:

Die Entscheidung des BGH überzeugt bereits vor dem Hintergrund, als einem überstimmten Wohnungseigentümer die Möglichkeit bleibt, die von der Mehrheit beschlossene Genehmigung der baulichen Veränderungen mit einer Anfechtungsklage anzugreifen. Führt die gerichtliche Überprüfung dazu, dass die Beschlüsse den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung oder den sonstigen Vorgaben des Eigentumsgesetzes - hier also insbesondere nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG - nicht genügen, werden sie für ungültig erklärt, ohne dass insoweit eine "Erledigung" des anderen Verfahrens eintreten würde. Der in der Abstimmung unterlegene Eigentümer steht jedenfalls nicht schlechter als er stünde, wenn die Eigentümer nicht nach, sondern schon vor dem Anfechtungsverfahren die baulichen Veränderungen gebilligt hätten.

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