Gesetzestext

 

(1) Zur Ermittlung des Ertragswerts ist vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag (§§ 201 und 202) mit dem Kapitalisierungsfaktor (§ 203) zu multiplizieren.

(2) Können Wirtschaftsgüter und mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Schulden aus dem zu bewertenden Unternehmen im Sinne des § 199 Abs. 1 oder 2 herausgelöst werden, ohne die eigentliche Unternehmenstätigkeit zu beeinträchtigen (nicht betriebsnotwendiges Vermögen), so werden diese Wirtschaftsgüter und Schulden neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert oder Anteil am gemeinen Wert angesetzt.

(3) Hält ein zu bewertendes Unternehmen im Sinne des § 199 Abs. 1 oder 2 Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die nicht unter Absatz 2 fallen, so werden diese Beteiligungen neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert angesetzt.

(4) Innerhalb von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag eingelegte Wirtschaftsgüter, die nicht unter die Absätze 2 und 3 fallen, und mit diesen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Schulden werden neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert angesetzt.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Gemäß § 200 Abs. 1 BewG ergibt sich der Ertragswert (auch nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren) grundsätzlich aus der Multiplikation des zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrages (i.S.d. §§ 201 und 202 BewG) mit dem Kapitalisierungsfaktor (gem. § 203 BewG). Das Produkt dieser Rechenoperation bildet jedoch nur den Ertragswert des sog. betriebsnotwendigen Vermögens ab. Aus diesem Grund ist – wie auch nach IDW S 1 – der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzusetzen. Darüber hinaus sieht das vereinfachte Ertragswertverfahren weitere Hinzurechnungen (und damit korrespondierend auch Korrekturen bei der Ermittlung des anzusetzenden nachhaltigen Jahresertrages) vor. Insgesamt ergibt sich aus § 200 BewG folgendes Bild:[1]

 
  Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens
  (Jahresertrag nach §§ 201202 BewG x Kapitalisierungsfaktor nach § 203 BewG)
+ Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, § 200 Abs. 2 BewG
+ Wert der Beteiligungen an anderen Gesellschaften, § 200 Abs. 3 BewG
+ Wert des "jungen Betriebsvermögens", § 200 Abs. 4 BewG
= Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren
[1] Vgl. R B 200 Abs. 1 ErbStR 2019.

B. Tatbestand/Rechtsfolgen

I. Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens

 

Rz. 2

§ 200 Abs. 1 BewG regelt die Art und Weise der Ermittlung des Ertragswerts des betriebsnotwendigen Vermögens. Hier werden die zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahreserträge des (nicht in Beteiligungen bestehenden und nicht "jungen") betriebsnotwendigen Vermögens mit dem sich aus § 203 BewG ergebenden Kapitalisierungsfaktor multipliziert. Die Einzelheiten der Bestimmung der zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahreserträge regeln die §§ 201 u. 202 BewG. Auch der Kapitalisierungsfaktor ist gesetzlich vorgegeben (§ 203 BewG).

II. Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens

 

Rz. 3

Der Begriff des nicht betriebsnotwendigen Vermögens – wie er im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens zu verstehen ist – ist in § 200 Abs. 2 Hs. 1 BewG definiert. Es handelt sich insoweit um Wirtschaftsgüter und mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Schulden des zu bewertenden Unternehmens, die aus diesem herausgelöst werden können, ohne die eigentliche Unternehmenstätigkeit zu beeinträchtigen. Diese Legaldefinition entspricht im Wesentlichen dem auch in der Betriebswirtschaftslehre favorisierten funktionalen Abgrenzungskriterium.[2] Diese gesetzliche Vorgabe kann daher durchaus als sachgerecht bezeichnet werden.[3] Zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen gehören all diejenigen Wirtschaftsgüter, deren Herauslösung aus dem Unternehmen die operative Geschäftstätigkeit nicht einschränken würde. Dies können – je nach Unternehmenszweck – z.B. (insb. vermietete) Grundstücke und Gebäude, Kunstgegenstände, Beteiligungen, Wertpapiere oder ggf. auch Geldbestände sein.[4] Im Einzelfall ist die Abgrenzung nicht ganz unproblematisch, da sie von der individuellen Definition des Unternehmenszwecks abhängt. Gerade bei den soeben erwähnten (und auch von der Finanzverwaltung ausdrücklich zum Prüfungsgegenstand erklärten) Geldbeständen sind unterschiedliche Sichtweisen von Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung vorprogrammiert. Dies gilt umso mehr, als konkrete Kriterien, anhand derer hier eine rechtssichere Abgrenzung vorgenommen werden könnte, nicht verfügbar sind.

 

Rz. 4

Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich daraus, dass im Hinblick auf die Betriebsbezogenheit der bewertungsrechtlichen Betrachtung keine zwingende Deckungsgleichheit mit den ertragsteuerlichen Grundsätzen zur Abgrenzung des gewillkürten Betriebsvermögens vom notwendigen Betriebsvermögen besteht.[5] Auch mit dem Begriff des Verwaltungsvermögens i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG hat der Begriff des nicht betriebsnotwendigen Vermögens nach § 200 Abs. 2 Hs. 1 BewG nichts zu tun.[6]

 

Rz. 5

Ebenso wie auch nach den in der betriebswirtschaftlichen Praxis angewandten ertragsorientierten Bewertungsverfahren[7] ist der Wert...

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