Rz. 86

Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG erfasst den Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteils (§§ 2303 ff. BGB) bzw. auf den bis zum 31.3.1998 für nichteheliche Kinder bestehenden Erbersatzanspruch (§ 1934a BGB a.F.). Sie gilt nach dem Gesetzeswortlaut damit nur für einen vor der Geltendmachung des Pflichtteils ausgesprochenen Verzicht. Die Steuerbefreiung gilt jedoch nicht für den Erben, wenn der Pflichtteilsberechtigte vor der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs verstirbt und dieser Anspruch damit von Todes wegen auf seinen Erben übergeht. Nach einem Urteil des BFH[160] muss der Erbe den Pflichtteilsanspruch unabhängig von seiner tatsächlichen Geltendmachung versteuern, ohne sich auf § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG berufen zu können. Dies hat zur Folge, dass der Erbe in dieser Situation faktisch zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gezwungen wird, obwohl dies den Prinzipien des Zivilrechts – Freiwilligkeit der Pflichtteilsgeltendmachung – grds. zuwider läuft. Für die Praxis werden daher – zur Vermeidung solcher Steuerfallen – lebzeitige Verzichte auf den Pflichtteilsanspruch (unabhängig von einer Abfindung) bedeutsamer.[161]

Der Verzicht nach Geltendmachung des Anspruchs stellt dagegen eine steuerpflichtige Schenkung an den begünstigten Erben gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (vgl. § 7 ErbStG Rdn 157). Dies ist konsequent, da die Steuerpflicht auch erst mit der Geltendmachung des Anspruchs eintritt, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG, und der Erbe den Pflichtteil erst ab Geltendmachung als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG in Abzug bringen kann. Die Geltendmachung des Pflichtteils setzt kein ausdrückliches Verlangen und keine Bezifferung des Anspruchs voraus. Es genügt beispielsweise die Erhebung einer Stufenklage, mittels derer der Pflichtteilsberechtigte zunächst nur Auskunft über das Erbe verlangt, um anschließend seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können.[162] Der Verzicht bedarf nicht der notariellen Form, wie sie in § 2348 BGB für Pflichtteilsverzichte vorgesehen ist. Neben dem Abschluss eines Erlassvertrages genügt es für einen Verzicht bereits, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch nicht geltend macht.

Abfindungen für den Anspruchsverzicht sind nicht steuerbefreit, sondern nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG (vgl. § 3 ErbStG Rdn 95) steuerpflichtig.

[161] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 13 Rn 131.

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