Rz. 32

Soweit die auf das begünstigte Vermögen geschuldete Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer das verfügbare Vermögen (des Erwerbers) i.S.v. § 28a Abs. 2 ErbStG übersteigt, wird sie dem Steuerpflichtigen erlassen (§ 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Eine weitere Prüfung der Erlassbedürftigkeit nach den Vorschriften der AO findet insoweit nicht statt. Vielmehr steht dem Steuerpflichtigen ein Erlassanspruch zu. Dies gilt auch dann, wenn gar nicht der Erwerber, sondern der Schenker (wegen Übernahme der Steuer, § 10 Abs. 2 ErbStG) zur Zahlung verpflichtet ist.[82] § 28a ErbStG stellt lediglich auf die (typisierte) Leistungsfähigkeit des Erwerbers ab.[83]

Allerdings ist dieser Erlass auflösend bedingt.[84] Soweit eines der Ereignisse nach § 28a Abs. 4 Nr. 1–3 ErbStG (insbesondere Lohnsummenverstoß, Behaltenfristverstoß, Hinzuerwerb verfügbaren Vermögens) eintritt, kann der Erlass (anteilig) wegfallen (vgl. Rdn 39 ff.).

 

Rz. 33

Zusätzlich zum Erlass der das verfügbare Vermögen übersteigenden Steuer (auf das begünstigte Vermögen)[85] kommt nach § 28a Abs. 3 ErbStG eine Stundung der tatsächlich zu zahlenden (nach dem Erlass noch verbleibenden) Steuer in Betracht, soweit deren Einziehung bei Fälligkeit "eine erhebliche Härte" für den Erwerber bedeuten würde und der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Die Stundung kann – je nach Lage des Falles – die gesamte verbleibende Steuerschuld oder nur einen Teil derselben betreffen. Sie dauert (nach dieser Vorschrift) maximal sechs Monate,[86] und zwar wohl ab dem Zeitpunkt der Festsetzung (nicht etwa erst ab dem Fälligkeitstermin).[87] Der gestundete Betrag ist nach den allgemeinen Vorschriften der AO (§§ 234 und 238 AO) mit 6 % p.a. (0,5 % je Monat) zu verzinsen.[88] Allerdings ist nach § 234 Abs. 2 AO ein – vollständiger oder teilweiser – Verzicht auf die Erhebung der Zinsen je nach Lage des Falles (aus Billigkeitsgründen) möglich.[89] Im Übrigen kann die Stundung auch von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wobei das Vorhandensein inländischen oder im EU-/EWR-Raum belegenen Produktiv- oder Immobilienvermögens eine Gefährdung des Steueranspruchs ausschließen sollte.[90]

 

Rz. 34

Eine erhebliche Härte i.S.d. Vorschrift liegt nach § 28a Abs. 3 S. 2 ErbStG vor, wenn der Erwerber einen Kredit aufnehmen oder verfügbares Vermögen (i.S.v. § 28a Abs. 2 ErbStG) veräußern müsste, um die Steuerschuld zu begleichen.[91] Hiermit trägt der Gesetzgeber der Erwägung Rechnung, dass auch das als verfügbar qualifizierte Vermögen nicht unbedingt in liquider Form vorhanden ist und daher gegebenenfalls zunächst veräußert werden muss, um es für die Begleichung der Steuer einzusetzen.[92]

 

Rz. 35

Auch wenn § 28a Abs. 3 S. 2 ErbStG regelt, wann prinzipiell von einer "unbilligen Härte" auszugehen ist, hat der Steuerpflichtige hier lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung durch das Finanzamt.[93] Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Gewährung der Stundung ergibt sich aus der Vorschrift (ebenso wie auch aus § 222 AO) nicht.

 

Rz. 36

§ 28a Abs. 3 S. 4 ErbStG stellt klar, dass neben der Anwendung der Spezialregelungen des § 28a Abs. 3 S. 1 und 2 ErbStG auch eine Stundung nach § 222 AO sowie – für Fälle des Erwerbs von Todes wegen – nach § 28 ErbStG gewährt werden kann.[94] Dies gilt sowohl im Hinblick auf die nach Ende der sechsmonatigen Stundung nach § 28a Abs. 3 S. 1 ErbStG zu zahlenden Steuer als auch für die Fälle, in denen zwar der Tatbestand von § 28a Abs. 3 S. 2 ErbStG nicht verwirklicht ist, dessen ungeachtet aber die unverzügliche Einziehung der Steuer – nach den allgemeinen Regeln – unbillig wäre; insoweit sind die Voraussetzungen aber jedenfalls enger als nach § 28a Abs. 3 S. 2 ErbStG.[95] Auch insoweit steht dem Steuerpflichtigen lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu; ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Gewährung der Stundung besteht nicht.

 

Rz. 37

Das Tatbestandsmerkmal der erheblichen Härte i.S.v. § 222 AO ist regelmäßig erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige nicht rechtzeitig auf den Steueranspruch und seine Erfüllung einstellen konnte und die ihm zur Verfügung stehenden Mittel entweder für seinen Lebensunterhalt oder für die Fortführung seines Betriebs zwingend benötigt werden und eine anderweitige Beschaffung der erforderlichen Liquidität nicht zumutbar ist.[96]

 

Rz. 38

§§ 234 und 238 AO sind auch insoweit anzuwenden, d.h. die gestundete Steuer ist nach den allgemeinen Vorgaben zu verzinsen. § 234 Abs. 2 AO (möglicher Verzicht auf Verzinsung) gilt natürlich auch hier.[97]

Festzuhalten bleibt die Empfehlung, vor einem Antrag auf Stundung nach § 28a Abs. 3 ErbStG zunächst die anderen in Betracht kommenden Alternativen ebenfalls zu prüfen und zu vergleichen, ob nicht eine Stundung nach § 28 ErbStG oder nach den allgemeinen Regelungen der AO (§ 222 AO) sich als günstiger erweist.[98]

[82] Eisele, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 28a Rn 4.
[83] Korezkij, DStR 2015, 1337, 1342.
[84] Eisele, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 28a Rn 18.
[85] R E 28a.3 S. 1 ErbStR 201...

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