Rz. 20

Die Vorerwerbe werden ohne Berücksichtigung des Nacherwerbs ihrerseits zusammengerechnet. Von der Summe der Vorerwerbe wird die fiktive oder tatsächliche Abzugsteuer ermittelt.[58]

[58] Götz, ZEV 2008, 29. Ab 2009, ggf. nach Art. 3 ErbStRG ab 2007, ist die Abzugsteuer nach § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG begrenzt.

1. Fiktive Abzugsteuer

 

Rz. 21

Von dem Vorerwerb bzw. der Summe der Vorerwerbe wird die Erbschaftsteuer abgezogen, die nach derzeitigem Recht nach den persönlichen Verhältnissen und auf der Grundlage der Tarifvorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs – aber auf Grundlage der früheren Wertansätze – entrichtet werden müsste.[59] Grundsätzlich wird also nicht die ggf. in dem Steuerbescheid für den früheren Erwerb festgesetzte, sondern eine fiktiv zu ermittelnde Steuer abgezogen. Das muss auch dann gelten, wenn für den Vorerwerb (noch) keine Steuer festgesetzt worden ist.[60] Der Zusatz "nach ihren früheren Werten" fehlt zwar in § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG. Die Festlegung in § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG lässt aber die Auslegung zu, dass sich die Wendung "und" lediglich auf die "persönlichen Verhältnisse" und nicht auf den Wert bezieht. Es kommt grundsätzlich auf die persönlichen Verhältnisse, z.B. Familienstand, sowie auf die Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt des Letzterwerbs an.

Die Berücksichtigung der fiktiven Abzugsteuer ist unproblematisch, wenn beiden Erwerbsvorgängen das gleiche ErbStG (gleiche Fassung) zugrunde zu legen ist und die persönlichen Verhältnisse sich nicht geändert haben. In diesen Fällen deckt sich die fiktive Steuer für den Ersterwerb mit der tatsächlich zu entrichtenden Steuer. Gelten beim letzten Erwerb höhere Freibeträge (z.B. ab 2009), ergäbe sich im Verhältnis zur früheren tatsächlichen Steuer i.d.R. eine geringere fiktive Abzugsteuer. Entsprechendes gilt, wenn der Vorerwerb in DM-Zeiten fällt (durch Euro-Umstellung wurden die pers. Freibeträge geringfügig erhöht) oder sich die anzuwendende Steuerklasse zwischen Vorerwerb und aktuellem Erwerb geändert hat. In diesen Fällen ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer der Freibetrag bei der Ermittlung des Anrechnungsbetrags nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von 10 Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat, um den persönlichen Freibetrag, der dem Steuerpflichtigen zusteht, auch dann tatsächlich wirksam werden zu lassen.[61] Die fiktive Steuer ist in der Praxis immer mit der für den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtenden Steuer zu vergleichen.

[59] Nach R E 14.1 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2019 richten sich Steuerklasse (§ 15 ErbStG), die persönlichen Freibeträge (§§ 16 u. 17 ErbStG) und der Steuertarif (§ 19 ErbStG) nach dem geltenden Recht.
[60] So auch Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 14 Rn 29.
[61] R E 14.1 Abs. 3 S. 5 ErbStR 2019; BFH v. 18.5.2011 – II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063; BFH v. 31.5.2006 – II R 20/05, BFH/NV 2006, 2260. Ein Berechnungsbeispiel zur Ermittlung der fiktiven Abzugsteuer finden Sie in H E 14.1 (3) ErbStH 2019.

2. Ermittlung der tatsächlich zu entrichtenden Steuer

 

Rz. 22

Abzuziehen ist anstelle der fiktiven Steuer die seinerzeit für die Vorerwerbe tatsächlich zu entrichtende richtig ermittelte Steuer, wenn diese höher als die fiktiv ermittelte Steuer auf den Vorerwerb ist. Der Steuerpflichtige soll für den Letzterwerb insoweit keine Steuer zahlen, als er für einen Vorerwerb bereits Steuer in dieser Höhe zu entrichten hatte. Die "tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer" i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG ist die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre.[62] Sie ist nicht zwangsläufig identisch mit der früher festgesetzten Steuer. Ist die tatsächliche Steuer für den/die Vorerwerb(e) höher als die fiktive Steuer, z.B. wenn sich die Rechtslage oder die tatsächlichen persönlichen Verhältnisse ändern, die sich auf den Tarif auswirken, z.B. Änderung bei den persönlichen Freibeträgen, kann dies nachträglich zu steuerfreien Zuwendungen genutzt werden.

Nach § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG kann es aber nicht zu einer Erstattung der Mehrsteuer kommen, wenn die auf die Vorerwerbe entfallende Steuer höher als die für den Gesamterwerb errechnete Steuer ist; d.h. die für die Vorerwerbe tatsächlich gezahlte Steuer mindert die Steuer für den Gesamtbetrag nur bis auf 0 EUR.

Das Finanzamt hat die günstigere Abzugsteuer von Amts wegen zu ermitteln (siehe Berechnungsbeispiele zur Abzugsteuer in H E 14.1 (3) ErbStH 2019).

 

Rz. 23

Die tatsächliche Steuer ist nicht abzuziehen, wenn die Festsetzung fehlerhaft war. Die für die Vorerwerbe ergangenen Steuerbescheide entfalten keine Bindungswirkung etwa im Sinn von Grundlagenbescheiden. Die Bedeutung zeigt sich z.B. in Fällen, in denen die frühere Veranlagung fehlerhaft war.[63] War die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb fehlerhaft zu hoch, kann nach überwiegender Meinung nur die materiell richtige (niedrigere) Steuer als tatsäc...

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