Rz. 14

Grundsätzlich tritt bei Erbschaften und Schenkung nach vier Jahren Festsetzungsverjährung[36] gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO ein. Die Festsetzungsfrist beginnt regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Der Entstehungszeitpunkt richtet sich nach § 9 ErbStG. Dies gilt bei der Erbschaftsteuer uneingeschränkt in Fällen, in denen gem. § 30 Abs. 3 ErbStG keine Anzeigepflicht des Erwerbers/Schenkers besteht.

 

Beispiel

Erblasser verstirbt am 30.12.2020. Testamentseröffnung durch deutschen Notar am 30.3.2021. Der Erwerber ist nicht anzeigepflichtig (§ 30 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 ErbStG). Die Festsetzungsverjährung beginnt mit Ablauf des Jahres 2020, und zwar auch dann, wenn der Notar die Testamentseröffnung erst im Jahr 2021 anzeigt.

 

Rz. 15

Ist der Erwerber nach § 30 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Hs. 2 ErbStG anzeigepflichtig, ist der Anlauf/Beginn der Festsetzungsverjährung gehemmt (sog. Anlaufhemmung). Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Liegt eine unvollständige Anzeige vor, ist entscheidendes Kriterium, ob die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit dadurch verkürzt wird oder nicht.[37] Einer Anzeige steht es gleich, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten; Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat,[38] z.B. durch die Anzeige eines Miterben. Ob daneben Anzeigepflicht von anderen Stellen besteht und erfüllt wird (vgl. §§ 30 Abs. 3, 33, 34 ErbStG), ist für die Anlaufhemmung der Anzeige nach § 30 Abs. 1und 2 ErbStG grds. ohne Bedeutung.[39] Ebenso ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige Kenntnis von der Anzeigepflicht hatte/hat.[40]

 

Beispiele

1. Schenkung im November 2018, Einreichung der Anzeige Ende Januar 2019, Beginn der Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2019, Ende der regulären Festsetzungsfrist (von 4 Jahren) mit Ablauf des Jahres 2023.
2. Schenkung im November 2018, Einreichung der Anzeige in 2020, Beginn der Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2020, Ende der regulären Festsetzungsfrist (von 4 Jahren) mit Ablauf des Jahres 2024.
3. Schenkung im November 2018, keine Anzeige, Beginn der Festsetzungsfrist mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, also Ende 2018 zzgl. drei Jahre = Beginn der Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2021, Ende der regulären Festsetzungsfrist (von 4 Jahren) mit Ablauf des Jahres 2025. Ggf. weitere Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 5 AO.
 

Rz. 16

Ist der Erwerber anzeigepflichtig, erstattet er aber keine Anzeige, und erlangt das zuständige Finanzamt Kenntnis über den Erwerb durch Anzeigen Dritter gem. §§ 33, 34 ErbStG innerhalb der Dreijahresfrist i.S.d. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO, endet m.E. die Anlaufhemmung mit Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung.[41]

Zur Anlaufhemmung bis zum Eingang der Steuererklärung siehe Rdn 23 und § 31 ErbStG Rdn 2.

 

Rz. 17

Unabhängig davon enthält § 170 Abs. 5 AO weitere Spezialregelungen zum Beginn der Festsetzungsfrist bei der Erbschaftsteuer. Die Festsetzungsfrist beginnt

bei Erwerben von Todes wegen erst, wenn der Erwerber (gesicherte) Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
bei Schenkungen – wenn Erwerb nicht angezeigt worden ist – erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Schenker verstirbt, es sei denn, das zuständige Finanzamt hat vorher von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG),
bei Zweckzuwendungen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
[36] Kamps, ErbR 2014, 16; Alvermann/Fraedrich, DStR 2008, 393; Demme, ZEV 2008, 222; Bruschke, UVR 2005, 112, Eich, ErbStB 2004, 262.
[37] BFH v. 17.8.2009 – II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 zur Grunderwerbsteuer; FG München v. 9.4.2014 – 4 K 1852/11, EFG 2014, 1270, weil sowohl dem Schenkungsvertrag als auch der Schenkungsteuererklärung zwar die erforderlichen Angaben zur Person des Schenkers und des Bedachten, jedoch nur unvollständig die Angaben zum Rechtsgrund des Erwerbs entnommen werden konnten.
[39] BFH v. 16.2.1994 – II R 125/90, BStBl II 1994, 866 (für GrESt); BFH v. 6.7.2005 – II R 9/04, BStBl II 2005, 780 sowie Klein/Rüsken, AO, § 170 Rn 14 m.w.N.).

1. Bei Erwerben von Todes wegen

 

Rz. 18

Es kommt auf den Ablauf des Kalenderjahres an, in dem der Erwerber mit einer solchen Zuverlässigkeit und Gewissheit Kenntnis von seinem unangefochtenen Erbschaftserwerb erlangt hat, dass er in der Lage ist und vo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge