Rz. 2

Maßgebend für die Steuerklasseneinteilung ist das persönliche Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker am Besteuerungszeitpunkt (§§ 9, 11 ErbStG). Die Zuordnung zu einer Steuerklasse ist also aus Erwerbersicht vorzunehmen. Mit persönlichem Verhältnis ist gemeint der Familienstand, die Verwandtschaft oder die Verschwägerung nach dem Zivilrecht im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG). Ausnahmen von der Zuordnung nach dem aktuellen Verwandtschaftsverhältnis sind in §§ 6 Abs. 2 u. 4, 15 Abs. 2 u. Abs. 3, 19a ErbStG geregelt (Antrag oder Wahl erforderlich). Schließen künftige Erben einen Erbvertrag, bei dem der eine Erbe gegenüber dem anderen im Hinblick auf den Nachlass eines noch lebenden Dritten auf etwaige künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche verzichtet, richtet sich die Schenkungsteuer/Steuerklasse nach der Steuerklasse im Verhältnis der künftigen Erben untereinander.[1] Wird eine Abfindung für einen Erbverzicht (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) nicht von dem künftigen Erblasser, sondern von einem Dritten gewährt, ist die Steuerklasse gleichwohl nach dem Verhältnis des Verzichtenden zum künftigen Erblasser zu bestimmen.[2] Wegen des Stichtagsprinzips kann – insbesondere bei Schenkungen – der Erwerb auf einen Zeitpunkt gelegt werden, in dem die günstigere Steuerklasse zur Anwendung kommt, z.B. nach Heirat, Adoption, Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs. Außerdem spielen die Steuerklasse II und III bei Erwerben von Betriebsvermögen und Beteiligungen (Produktivvermögen i.S.v. §§ 13a13c und 28a ErbStG) wegen der besonderen Regelung in § 19a ErbStG insoweit keine Rolle, weil nach § 19a ErbStG beim Erwerb von Produktivvermögen immer die Steuersätze der Steuerklasse I anzuwenden sind.

 

Rz. 3

Da die Zugehörigkeit zur Steuerklasse I erbschaftsteuerlich am günstigsten ist, bieten sich Erwerbe an, bei denen der Erwerber im Besteuerungszeitpunkt der Steuerklasse I zuzuordnen ist. Hierzu sind ggf. vorbreitende Gestaltungen erforderlich. Das geht von der Eheschließung, Begründung einer Lebenspartnerschaft, Adoption über zeitlich versetzte Erwerbe, z.B. bedingt durch die künftige Eheschließung, Ausschlagung von Erbschaften, Vermächtnissen zugunsten näher Verwandter bis zur Zwischenübertragungen (sog. Kettenschenkungen).[3] Grundsätzlich ist es nicht missbräuchlich, die Erbschaftsteuer zu optimieren. Hierzu sind nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles – auch unter Berücksichtigung zusätzlicher Kosten und Risiken – Entscheidungen zu treffen, die auf jeden Fall schriftlich festgehalten werden sollten, da sich die eigentlichen Intention nicht immer mit den Schritten erbschaftsteuerlicher Optimierung deckt.

[3] Beispiele bei Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 15 Rn 12 ff.

1. Steuerklasse I

 

Rz. 4

Ist Erwerber ein Ehegatte des Erblassers/Schenkers, gehört er zur Steuerklasse I. Ob im Besteuerungszeitpunkt eine Ehe rechtlich besteht/bestand, richtet sich nach dem Zivilrecht, ggf. nach internationalem Privatrecht. Durch aufschiebend bedingte Schenkung kann z.B. der Besteuerungszeitpunkt auf den Tag der Eheschließung gelegt und damit die Steuerklasse I erreicht werden. Ehegatten einer für nichtig erklärten Ehe fallen in die Steuerklasse III.[4] Hat sich ein Ehepartner nach der Scheidung mit dem Erblasser wieder versöhnt und mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, ist dessen Erwerb dennoch nach Steuerklasse III des § 15 Abs. 1 ErbStG zu besteuern. Die Freibeträge nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 17 Abs. 1 ErbStG sind nicht zu gewähren.[5]

Lebenspartner im Sinne einer eingetragenen Lebenspartnerschaft[6] sind in Steuerklasse I aufgenommen worden.[7] Auch im Übrigen gelten dieselben Freibeträge, Freistellungen usw. wie bei Ehegatten. Nach der Entscheidung des BVerfG v. 21.7.2010[8] war die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt für den persönlichen Freibetrag nach § 16 ErbStG a.F. ebenso wie für den Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG a.F. und den Steuersatz nach § 19 ErbStG a.F. Zur rückwirkenden Anwendung der §§ 1517 ErbStG für Lebenspartner auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31.7.2001 entstanden ist, siehe § 37 Abs. 5 ErbStG.

Verlobte und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gehören nicht – auch nicht aus Billigkeitsgründen – in die Steuerklasse I.

 

Rz. 5

Ist der Erwerber ein Kind oder Stiefkind des Erblassers oder Schenkers, gehört der Erwerber in Steuerklasse I. Kinder sind Abkömmlinge ersten Grades bzw. adoptierte Kinder. Generell richtet sich die Stellung als Kind/Adoptivkind nach dem Zivilrecht (§§ 1591 ff. BGB). Die biologische Abstammung allein führt...

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