Rz. 2

§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG enthält den Grundtatbestand einer steuerpflichtigen Schenkung: Als Schenkung gilt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Sachverhalt muss dementsprechend folgende Voraussetzungen erfüllen, damit er unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG subsumiert werden kann:

1. Zuwendung unter Lebenden
2. Unentgeltliche Bereicherung des Bedachten
3. Entreicherung des Zuwendenden
4. Wille zur Freigebigkeit.
 

Rz. 3

Diese Anforderungen decken sich nicht vollständig mit der zivilrechtlichen Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB. Dementsprechend verwendet § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch nicht den Begriff Schenkung, sondern spricht von einer freigebigen Zuwendung. Tatsächlich beschränken sich die Unterschiede jedoch auf den subjektiven Tatbestand (4. Wille zur Freigebigkeit): Während das Zivilrecht die Einigung der Parteien über die unentgeltliche Zuwendung fordert, genügt für eine freigebige Schenkung in steuerlicher Hinsicht, dass lediglich der Zuwendende von der Freigebigkeit der Zuwendung ausgeht (siehe unten Rdn 93 ff.). Zu den Voraussetzungen im Einzelnen:

1. Zuwendung unter Lebenden

 

Rz. 4

Es muss sich um eine Zuwendung, d.h. die Hingabe eines Vermögensbestandteils, unter Lebenden und nicht von Todes wegen handeln. Erwerbe von Todes wegen werden von § 3 ErbStG erfasst.

Zuwendender ist derjenige, dessen Vermögen zugunsten eines anderen gemindert wird und Bedachter derjenige, dessen Vermögen sich infolge der Zuwendung erhöht.[1] In beiden Fällen kann es sich um eine natürliche oder juristische Person handeln. Bei Personengesellschaften, die steuerlich als transparent gelten, ist Zuwendender bzw. Bedachter jeweils die Mehrheit ihrer Gesellschafter, so dass diese anteilig als Zuwendende bzw. Bedachte anzusehen sind.[2] Im Einzelfall ist auf eine klare Abgrenzung und entsprechende vertragliche Formulierung zu achten, damit nicht ungewollt eine andere Person als Bedachter anzusehen ist (z.B. bei der Kettenschenkung, siehe Rdn 27 ff.) und deshalb eine ungünstigere Steuerklasse zum Tragen kommen, die einen höheren Steuersatz und einen niedrigeren persönlichen Freibetrag zur Folge haben.

 

Rz. 5

Sterben der Zuwendende oder der Bedachte nach Begründung des Schenkungsversprechens, aber vor dessen Erfüllung, hat dies grds. keine Auswirkung auf die Schenkung. Die Erben des Zuwendenden können die aus dem Schenkungsversprechen resultierende Leistungsverpflichtung als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG (Erblasserschuld) in Abzug bringen.[3] Stirbt der Bedachte vor Ausführung der Schenkung, fällt der Anspruch aus dem Schenkungsversprechen in den Nachlass. Die Erben des Bedachten sind insoweit bereichert; es kommt zu einer Erhöhung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Schenkungsteuer im Verhältnis zum zuwendenden Dritten nicht mehr anfällt. Mit Ausführung der Schenkung entsteht vielmehr Schenkungsteuer im Verhältnis zum Zuwendenden, da es sich im Ergebnis um eine Schenkung und einen sich anschließenden Erbfall handelt.[4]

 

Rz. 6

Bei Parteispenden (siehe auch § 13 ErbStG Rdn 105 f.) ist abzugrenzen, ob die Zuwendung an die Partei oder an einen bestimmten Wahlkandidaten erfolgt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn die Spende unter eine entsprechende rechtsverbindliche Auflage gestellt ist.

[1] Zur Bestimmung der Beteiligten ist auf die Zivilrechtslage abzustellen, BFH v. 16.9.2020 – II R 33/19, BFH/NV 2021, 317.
[4] Rödl/Seltenreich, § 7 S. 316; a.A. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 7 Rn 251.

2. Unentgeltliche Bereicherung des Bedachten

a) Gegenstand der Bereicherung

 

Rz. 7

Als Bereicherung des Bedachten gilt jede Vermögensmehrung oder jede Minderung seiner Schulden oder Belastungen infolge der Zuwendung.[5] Ob und in welcher Höhe eine Bereicherung gegeben ist, richtet sich grds. nach zivilrechtlichen Regeln. Demzufolge ist für die Bestimmung des Zuwendungsgegenstandes und des Umfangs der unentgeltlichen Bereicherung auf die Verkehrswerte der Zuwendung und eventueller Gegenleistungen und Auflagen abzustellen.[6] Der Zuwendungsgegenstand muss danach einen messbaren Wert haben, der das Vermögen des Bedachten – wenn auch nur geringfügig – erhöht.

Der nach § 12 ErbStG zu bestimmende Steuerwert der Zuwendung spielt dagegen erst bei Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs i.S.v. § 10 ErbStG eine Rolle. Der bürgerlich-rechtlich zu bestimmende Zuwendungsgegenstand ist dabei erheblich für die Frage, nach welchen steuerlichen Regeln die Bewertung erfolgt.[7] Denn nur wenn Zuwendungsgegenstand des sich nach bürgerlichem Recht vollziehenden Erwerbs z.B. eine Immobilie ist, kommen die steuerlichen Bewertungsregeln für Immobilien zum Tragen. Auch die notwendigen Vollzugshandlungen, die für den Zeitpunkt der ...

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