Rz. 26

Die Regelungen der §§ 47 BewG gelten nach § 8 BewG auch dann, wenn der Erwerb eines Wirtschaftsguts oder die Entstehung oder der Wegfall einer Last nicht bedingt aber befristet ist, also hinsichtlich des Zeitpunkts der Entstehung bzw. des Wegfalls eine Ungewissheit besteht. Dem Begriff der Befristung kommt in diesem Zusammenhang eine eigenständige bewertungsrechtliche Definition zu, die im deutlichen Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch (Frist = Bestimmung eines konkreten Zeitraums) steht. In § 8 BewG ist unter einer Befristung stets der Aufschub des der Befristung unterliegenden Ereignisses auf unbestimmte Zeit zu verstehen. Es ist zwar sicher, dass das befristete Ereignis (irgendwann) eintreten wird, der konkrete Zeitpunkt steht jedoch noch nicht fest. Klassisches Beispiel für die Befristung ist das Versterben eines Menschen.[72] Nur für solche Fälle – also mit unbestimmtem Termin – gilt die Gleichstellung der Befristung mit einer Bedingung.[73]

 

Rz. 27

Steht hingegen ein in der Zukunft liegender Eintritt eines Ereignisses schon konkret fest, gibt es beispielsweise ein feststehendes Eintrittsdatum, ist für eine Anwendung der §§ 4 ff. BewG kein Raum. In der zivilrechtlichen Diktion ist in diesen Fällen von einer Betagung die Rede.[74] Eine Ungewissheit besteht hier gerade nicht. Aus diesem Grunde kann der zeitliche Aufschub des Eintritts des jeweiligen Ereignisses (aufgeschobene Fälligkeit) durch eine Abzinsung des Werts angemessen berücksichtigt werden.[75]

 

Rz. 28

Die Unterscheidung zwischen Bedingung, Befristung und Betagung ist für die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung (also im Rahmen von § 12 ErbStG) zwingend. In anderen Bereichen des Erbschaftsteuerrechts – also außerhalb der Vorschriften zur Wertermittlung – werden aber alle drei Rechtsinstitute mitunter auch gleich behandelt. So gilt z.B. die Abfindung für den Verzicht auf ein "aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes" Vermächtnis gem. § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG als Erwerb von Todes wegen. Eine weitere Differenzierung, warum die Forderung, auf die gegen Entgelt verzichtet wird, noch nicht fällig ist, spielt in dieser Situation keine Rolle. Aus der Sicht des Gesetzes kommt es allein darauf an, die Steuer mit der Zahlung bzw. Vereinnahmung der Abfindung entstehen zu lassen.[76]

[73] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 51.
[74] Vgl. zur Abgrenzung BFH v. 27.8.2003 – II R 58/01, BStBl II 2003, 921; Anm. Meincke, ZEV 2004, 36; BFH v. 7.10.2009 – II R 27/07, BFH/NV 2010, 733; FG Nürnberg v. 27.1.2005 – IV 148/2002, DStRE 2006, 725; FG Köln v. 10.6.2015 – 9 K 2384/09, EFG 2015, 1618 (durch Rev. nicht berührt, vgl. BFH v. 14.11.2018 – II R 34/15, BStBl II 2019, 674); vgl. auch Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 51.
[75] Zur Abgrenzung von betagten Ansprüchen gegenüber nach §§ 4 ff. BewG zu behandelnden vgl. BFH v. 27.8.2003 – II R 58/01, BStBl II 2003, 121; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 51.
[76] Vgl. hierzu ausführlich Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 52.

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