Rz. 49

Ein Pflichtteilsanspruch wird erst dann eine abzugsfähige Erbfallverbindlichkeit, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch geltend gemacht hat, denn erst dann ist der Erbe damit belastet. Zwar stellt das möglicherweise nicht ausgeübte Pflichtteilsrecht im Prinzip eine latente Last des Erben dar, solange es nicht ausgeübt wird, da jedoch das Pflichtteilsrecht der Verjährung nach § 2332 BGB unterliegt und nur dann fällig wird, wenn es vom Pflichtteilsberechtigten rechtzeitig geltend gemacht wird, ist es bis dahin nicht abzugsfähig. Wird jedoch ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, obgleich er bereits verjährt ist, der Erbe aber nachweislich bereit ist, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, dann ist trotz eingetretener Verjährung der erfüllbare Pflichtteilsanspruch als Erbfallverbindlichkeit abzugsfähig.[62] Ob der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch tatsächlich erfüllt wurde, ist für dessen Abzugsfähigkeit unbeachtlich.[63]

 

Rz. 50

Deshalb ist eine Zahlung auf eine verjährte Pflichtteilsforderung auch keine lebzeitige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 ErbStG. Denn der Erbe erfüllt eine bestehende Schuld. Daher gibt es im Zivilrecht nach den §§ 813 Abs. 2 S. 2, 214 Abs. 2 BGB kein Rückforderungsrecht, und dem folgt das Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrecht. Deshalb ist es richtig, dass der Schuldner eine verjährte Schuld abziehen kann, wenn er sie erfüllt.[64] Wird ein Pflichtteilsanspruch bis zum Ableben des Pflichtteilsschuldners gestundet, ist der Abfindungsbetrag beim Erben des Pflichtteilsschuldners als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.[65]

Die Pflichtteilslast des Erben ist gleich zu bewerten wie der Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten. In gleichem Umfang auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB. Beim Vorerben ist als Besonderheit zu beachten, dass er bei vorzeitiger Übertragung des von der Nacherbschaft umfassten Vermögens (Sondervermögen beim Vorerben) nichts aus seinem eigenen Vermögen überträgt, so dass diesbezüglich kein Ergänzungsanspruch besteht.[66]

[62] Meincke/Hannes/Holtz, § 9 Rn 33; Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 10 Rn 183.
[63] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gottschalk, § 10 Rn 183.
[66] Grüneberg/Weidlich, § 2325 Rn 10.

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