Rz. 1

§ 11 BewG regelt die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen. Im Zuge der Erbschaftsteuerreform 2009[1] ergaben sich gerade in diesem Bereich erhebliche Änderungen, die entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts[2] stets – also auch dann, wenn tatsächliche Verkaufsvorgänge nicht feststellbar sind – darauf abzielen, den Verkehrswert als Basis der Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer heranzuziehen. Dies gilt nicht nur für Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften, sondern über § 109 BewG auch für die Bewertung des Betriebsvermögens bzw. von Mitunternehmeranteilen.

Die Zuständigkeit für die (gesonderte) Feststellung des Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.v. § 11 Abs. 2 BewG ist in § 151 Abs. 1 Nr. 5 BewG speziell geregelt.[3] Sie liegt grundsätzlich beim jeweiligen Betriebsstättenfinanzamt. Dieses wird allerdings nur auf Aufforderung durch das für die Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zuständige (Veranlagungs-)Finanzamt tätig.[4] Dieses ist auch dafür zuständig, zu entscheiden, ob die gesonderte Feststellung für die Erbschaftsteuer von Bedeutung ist. Ein Verzicht auf die Durchführung der gesonderten Feststellung kommt – im Einvernehmen mit den Beteiligten[5] – vor allem dann in Betracht, wenn es sich um einen Fall von untergeordneter (wirtschaftlicher) Bedeutung handelt und unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand vermieden werden soll.[6]

 

Rz. 2

Das Gesetz sieht in § 11 BewG sieben Bewertungsverfahren vor, die teilweise untereinander in einem bestimmten Rangverhältnis stehen, teilweise jedoch auch – nach der Wahl des Steuerpflichtigen – alternativ angewendet werden können.

 

Rz. 3

§ 11 BewG regelt die Feststellung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) für bestimmte Fälle bzw. Vermögensgegenstände. Der gemeine Wert ist aber nicht nur für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer relevant, vielmehr ist er auch für andere Steuerarten, insbesondere im Bereich der Ertragsteuern (z.B. § 16 Abs. 3 S. 3, 4, 7 und 8, § 17 Abs. 2 S. 2 sowie Abs. 4 und 5, § 6 AStG etc.)[7] von Bedeutung. Insoweit geht die Finanzverwaltung mittlerweile davon aus, dass sowohl § 11 BewG als auch die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen auch für die Wertermittlungen maßgeblich sind.[8]

 

Rz. 4

Ausgangspunkt ist gem. § 11 Abs. 1 BewG der Börsenkurs am Bewertungsstichtag (bzw. hilfsweise innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag). Bewertungsstichtag ist gemäß § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Soweit ein Börsenkurs festgestellt werden kann, kommt die Anwendung anderer Bewertungsverfahren nicht in Betracht.

In zweiter Linie wird der Verkehrswert aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vor dem Bewertungsstichtag abgeleitet (§ 11 Abs. 2 S. 2 1. Fall BewG).

Nur subsidiär, also wenn weder ein Börsenkurs noch zeitnahe Verkäufe feststellbar sind, ist der Wert zu schätzen, und zwar gem. § 11 Abs. 2 S. 2 2. Fall BewG grundsätzlich unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft. Das vereinfachte Ertragswertverfahren kann gem. § 11 Abs. 2 S. 4 BewG hierbei zur Anwendung kommen (Wahlrecht).

Als Alternative zur Schätzung des Wertes unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten ist in § 11 Abs. 2 S. 2 3. Fall BewG die Möglichkeit vorgesehen, eine andere anerkannte, "auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke übliche Methode" heranzuziehen.

Der Substanzwert des Betriebsvermögens (der Kapitalgesellschaft) bildet gem. § 11 Abs. 2 S. 3 BewG grds. die Wertuntergrenze.[9] Nur soweit die Weiterführung des Unternehmens nicht gewährleistet ist, ist der Liquidationswert als Bewertungsuntergrenze anzusehen.[10]

Anders als bei Einzelunternehmen und mitunternehmerischen[11] Personengesellschaften ist im Bereich der Kapitalgesellschaften die Frage, welchen Umfang die zu bewertende wirtschaftliche Einheit (das Betriebsvermögen i.S.v. § 18 Nr. 3 BewG) hat, leicht zu beantworten. Denn für Kapitalgesellschaften gilt, dass sämtliche in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter auch ihrem Betriebsvermögen zuzuordnen sind (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Demzufolge sind all diese Gegenstände auch in die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung mit einzubeziehen (insoweit vgl. § 97 BewG Rdn 5).

Ob und inwieweit das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft auch Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 4 ErbStG umfasst, spielt für die Bewertung bzw. die Anwendung der verschiedenen Bewertungsverfahren keine Rolle. Allerdings kann sich der Unternehmenswert mittelbar auf den Umfang des Verwaltungsvermögens (namentlich in Form der Finanzmittel, § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) auswirken, da hier ein Vergleich der (Netto-)Finanzmittel mit dem Wert des (gesamten) Betriebs erfolgt.

[1] Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 v. 24.12.2009, BGBl I 2008, 3018.
[3] Gleiches gilt nach § 151 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BewG auch für Personenunternehmen.
[4] R B 151.1 Abs. 2 S. 2 und 3 ErbStR 2019.
[5] R B 151.1 Abs. 4 S. 1...

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