Rz. 44

Außerdem entfällt der Erlass nach § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG dann, wenn der Steuerpflichtige (Erwerber) innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der erlassenen Steuer (§ 9 ErbStG) weiteres Vermögen durch Schenkung oder von Todes wegen erwirbt, das als "verfügbares Vermögen" anzusehen ist. In diesem Fall kann der Erwerber allerdings einen erneuten Antrag auf Prüfung des Verschonungsbedarfs stellen,[107] bei dem sodann auch 50 % des nachträglich hinzuerworbenen (nicht begünstigten) Vermögens als verfügbares Vermögen berücksichtigt werden.[108] Der (Wert-)Ansatz des ursprünglichen verfügbaren Vermögens bleibt unverändert.[109]

Von welchem Erblasser/Schenker das hinzuerworbene Vermögen stammt, ist im Anwendungsbereich von § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG prinzipiell unbeachtlich. Relevant sind daher auch Zuwendungen von Dritten, die an der ursprünglich die Verschonungsbedarfsprüfung auslösenden steuerpflichtigen Zuwendung nicht beteiligt waren.[110] Auf diese Weise versucht der Gesetzgeber Gestaltung zu vermeiden, bei denen Vermögen nicht nur hinsichtlich der Zuwendungszeitpunkte aufgeteilt, sondern auch zunächst einem "Zwischenerwerber" zugewendet wird, der es zu einem späteren Zeitpunkt an den eigentlich ins Auge gefassten Begünstigten weitergibt.[111]

 

Rz. 45

Bei relevanten Nacherwerben i.S.v. § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ErbStG muss es sich in jedem Fall um (dem Grunde nach) steuerpflichtige Erwerbe von Todes wegen (§ 3 ErbStG) oder Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) handeln.[112] Vermögensmehrungen, die in keine dieser beiden Kategorien fallen, spielen keine Rolle. Das gilt beispielsweise für Lottogewinne[113] oder die Realisierung von Zugewinnausgleichsansprüchen.[114]

Im Übrigen kommt es aber – ebenso wie im Rahmen der anfänglichen Prüfung des verfügbaren Vermögens – auf etwa anwendbare sachliche Steuerbefreiungen (insbesondere nach § 13 ErbStG) nicht an.[115] Lediglich Gelegenheitsgeschenke i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG bleiben (allerdings rein aus Vereinfachungsgründen) unberücksichtigt.[116]

Das ursprünglich vorhandene verfügbare Vermögen ist um den Nettowert (bzw. 50 % davon)[117] des hinzuerworbenen (nicht seinerseits begünstigten)[118] Vermögens zu erhöhen,[119] wobei die etwa auf den Hinzuerwerb angefallene Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nicht abgezogen werden darf.[120]

Das führt dazu, dass das hinzuerworbene Vermögen in zweierlei Hinsicht mit Steuer belastet wird. Im Extremfall kommt sogar eine vollständige Abschöpfung des Werts durch den Fiskus in Betracht,[121] nämlich beispielsweise dann, wenn im Zeitpunkt des Hinzuerwerbs das ursprünglich vorhandene verfügbare Vermögen sich nicht mehr in der Hand des Steuerpflichtigen befindet oder im Wert gemindert ist.[122] In jedem Fall droht eine Abschöpfung in Höhe von 50 % des Werts des Hinzuerwerbs[123] zuzüglich der auf diesen anfallenden Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.

 

Rz. 46

Soweit der die Begünstigung in Anspruch nehmende Erwerber von demselben Erblasser/Schenker innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren mehrere Zuwendungen begünstigten Vermögens erhält, führt dies nicht nur zu einem rückwirkenden (ggf. anteiligen) Entfall des Erlasses nach § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG. Vielmehr hat – auf entsprechende Anträge des Steuerpflichtigen – für jede dieser weiteren Zuwendungen (soweit diese auch begünstigtes Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG umfassen) eine erneute Überprüfung nach § 28a Abs. 1 S. 1 ErbStG stattzufinden.[124] Sämtliche in den jeweiligen Zehnjahreszeitraum fallenden Zuwendungen begünstigten Vermögens sind hierzu zusammenzurechnen. Die Bestimmung des verfügbaren Vermögens nach § 28a Abs. 2 ErbStG richtet sich stets nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG) für die zu prüfende (also jeweils die zeitlich letzte) Zuwendung. Derselbe Zeitpunkt ist auch für die Aufteilung der insgesamt anfallenden Steuer (auf begünstigtes bzw. nicht begünstigtes Vermögen) maßgeblich. Im Übrigen gelten insoweit die bereits dargestellten Grundsätze (vgl. Rdn 14 ff.).

[107] R E 28a.4 Abs. 2 S. 5 ErbStR 2019.
[108] Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425, 2433.
[109] R E 28a.4 Abs. 2 S. 6 ErbStR 2019.
[110] R E 28a.4 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 28a Rn 28.
[111] Gesetzesbegründung, BT-Drucks 18/5923, 9, 33.
[112] Die anscheinend gegenteilige Aussage in R E 28a.4 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019, dass es nicht darauf ankomme, ob die Zuwendung dem ErbStG unterliegt, bezieht sich offenbar auf die persönliche Anwendbarkeit des ErbStG (unbeschränkte bzw. beschränkte Steuerpflicht), nicht auf die sachliche Subsumtion unter § 3 bzw. § 7 ErbStG. Dies wird auch durch R E 28a.4 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019 deutlich.
[113] Stalleiken, in: v. Oertzen/Loose, ErbStG, § 28a Rn 38.
[114] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 28a Rn 28; Soeffing, ErbStB 2016, 235, 241.
[115] R E 28a.4 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2019.
[116] R E 28a.4 Abs. 2 S. 3 ErbStR 2019; vgl. hierzu auch Koretzkij, DStR 2016, 2425,...

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