Rz. 5

§ 11 Abs. 1 BewG regelt die Bewertung von Wertpapieren und Schuldbuchforderungen, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel im Regulierten Markt zugelassen sind.[12]

Wertpapiere in diesem Sinne sind Urkunden, die ein Vermögensrecht in der Weise verbriefen, dass das Geltendmachen des Rechts den Besitz der Urkunde erfordert.[13] Außerdem erfasst § 11 Abs. 1 BewG Wertpapiere i.S.d. Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG[14]). Das sind, auch wenn für sie keine Urkunden ausgestellt sind,

Aktien
Zertifikate, die Aktien vertreten
Schuldverschreibungen
Genussscheine
Optionsscheine
andere Wertpapiere, die mit Aktien oder Schuldverschreibungen vergleichbar sind.

Voraussetzung ist, dass diese an einem (regulierten) Markt gehandelt werden können. Wertpapiere sind auch Anteilsscheine, die von Kapitalgesellschaften oder ausländischen Investmentgesellschaften ausgegeben werden.[15] In der Bundesrepublik bestehen aktuell sechs Börsen, nämlich in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg/Hannover, München und Stuttgart.

 

Rz. 6

Bis zum 1.11.2007 existierten in Deutschland drei verschiedene Börsensegmente, nämlich der Amtliche Markt, der Geregelte Markt und der Freiverkehr. Dabei hatte der Amtliche Markt die höchsten und der Freiverkehr die niedrigsten Zulassungsbeschränkungen und Auflagen. Mit dem Regulierten Markt ist am 1.11.2007 diese bisher bestehende Unterteilung der organisierten Zulassungssegmente (Amtlicher und Geregelter Markt) obsolet geworden. Diejenigen Wertpapiere, die vor dem 1.11.2007 zum Geregelten Markt zugelassen waren, gelten seitdem als zum Regulierten Markt zugelassen.

 

Rz. 7

Der Regulierte Markt ist ein "organisierter Markt" i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG. Demzufolge sind sowohl die Zulassungsvoraussetzungen als auch die Folgepflichten der Marktteilnehmer sowie die Organisation des Handels selbst gesetzlich geregelt.

Im Regulierten Markt gelten prinzipiell die Zulassungsvoraussetzungen und die Folgepflichten, wie sie zuvor auch für den Amtlichen Markt bestanden. Dies gilt auch für die Zulassungsvoraussetzungen, in denen sich der Geregelte Markt früher vom Amtlichen Markt unterschied. Demzufolge muss das jeweilige Unternehmen im Zeitpunkt der Zulassung mindestens drei Jahre bestehen, der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien oder – falls eine Schätzung nicht möglich ist – das Eigenkapital des Unternehmens muss mindestens EUR 1,25 Mio., der zu erwartende Streubesitzanteil mindestens 25 % betragen.

 

Rz. 8

Ein emittierendes Unternehmen hat vor der Aufnahme des Handels im Regulierten Markt ein öffentlich-rechtliches Zulassungsverfahren zu durchlaufen. Der entsprechende Antrag ist grds. zusammen mit mindestens einem Kreditinstitut, einem Finanzdienstleister oder einem Unternehmen, das nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG oder § 53b Abs. 1 S. 1 KWG tätig ist, bei der Geschäftsführung der jeweiligen Wertpapierbörse einzureichen. Ist der Emittent selbst ein Kreditinstitut, Finanzdienstleister oder Unternehmen i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 KWG oder § 53b Abs. 1 S. 1 KWG, kann er die Zulassung eigenständig beantragen. Die konkreten Zulassungsvoraussetzungen sind im Börsengesetz, in der Börsenzulassungsverordnung, im Wertpapierprospektgesetz und in der Börsenordnung geregelt.

 

Rz. 9

Der Regulierte Markt unterteilt sich in den sog. General Standard und den Prime Standard.

Unternehmen, deren Wertpapiere zum Regulierten Markt zugelassen werden, sind automatisch in den General Standard aufgenommen. Für diese Unternehmen gelten daher automatisch die allgemeinen Zulassungsfolgepflichten, insb. die Pflicht zur Veröffentlichung sog. Ad-hoc-Mitteilungen, zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS/IAS oder US-GAAP), sowie zur Veröffentlichung von Zwischenberichten. Unternehmen, deren Wertpapiere international platziert oder in einen der Auswahlindices (DAX, MDAX, SDAX, TecDAX) aufgenommen werden sollen, müssen zusätzliche Zulassungsfolgepflichten erfüllen. Denn Voraussetzung für die Aufnahme in einen der genannten Auswahlindices ist die Zugehörigkeit zum sog. Prime Standard. Die Aufnahme in den Prime Standard setzt die Erfüllung zusätzlicher Transparenzanforderungen voraus. Daher hat der Jahresabschluss zwingend unter Zugrundelegung internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS oder US-GAAP) zu erfolgen, es sind Quartalsberichte (auch) in englischer Sprache zu veröffentlichen. Das Unternehmen hat einen sog. Unternehmenskalender zu pflegen und mindestens einmal pro Jahr eine Analystenkonferenz durchzuführen; die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilungen muss zusätzlich in englischer Sprache erfolgen.

[12] Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn 3.
[13] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 271.
[14] V. 9.9.1998, BGBl I 1998, 2708, zuletzt geändert durch Art. 4 Sanktionsdurchsetzungsgesetz I v. 23.5.2022 BGBl. I 2022, 754.
[15] Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn 3.

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