Gesetzestext

 

(1)1Zu dem Erbverzicht ist, wenn der Verzichtende unter Vormundschaft steht, die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich; steht er unter elterlicher Sorge, so gilt das Gleiche. 2Für den Verzicht durch den Betreuer ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich.

(2)1Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen; ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. 2Ist der Erblasser geschäftsunfähig, so kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden; die Genehmigung des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts ist in gleichem Umfang wie nach Absatz 1 erforderlich.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Der Aufbau der Norm ist etwas unübersichtlich. In Abs. 1 werden die grundsätzliche Zulässigkeit der Vertretung des Verzichtenden vorausgesetzt und die Folgen bei beschränkter oder fehlender Geschäftsfähigkeit beschrieben. Das grundsätzliche Vertretungsverbot für den Erblasser steht in Abs. 2 S. 1 Hs. 1. Die ausnahmsweise Zulässigkeit bei beschränkter oder fehlender Geschäftsfähigkeit ergibt sich aus Abs. 2 S. 1 Hs. 2 und Abs. 2 S. 2.

Mit Wirkung zum 22.7.2017 wurden die Worte "sofern nicht der Vertrag unter Ehegatten oder Verlobten geschlossen wird" am Ende von Abs. 1 S. 1 gestrichen.[1]

[1] Art. 1 Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen v. 17.7.2017, BGBl I, 2429.

B. Tatbestand

I. Vertretung des Erblassers

1. Keine rechtsgeschäftliche Vertretung

 

Rz. 2

Der Erblasser kann sich rechtsgeschäftlich nicht vertreten lassen. Er muss den Vertrag persönlich abschließen, Abs. 2 S. 1.[2] Dies betrifft aber nur das Verfügungs-, nicht das Kausalgeschäft.[3] Persönliches Handeln des Erblassers bedeutet jedoch nicht, dass Angebot und Annahme gleichzeitig von beiden Vertragsparteien erklärt werden müssen; die Erklärungen können also getrennt beurkundet werden. Bei Prozessvergleichen, welche die notarielle Beurkundung ersetzen können (§ 127a ZPO), muss bei Anwaltszwang der Erblasser persönlich neben seinem Rechtsanwalt den Verzicht erklären.[4]

[2] BGHZ 37, 319; OLG Düsseldorf ZErb 2011, 201.
[3] OLG Düsseldorf – 7 U 153/12, DNotI-Report 2014, 93.
[4] BayObLG NJW 1965, 1276.

2. Betreuter Erblasser

 

Rz. 3

Eine Betreuung bedeutet nicht immer, dass eine Person geschäftsunfähig ist. Steht der Erblasser unter Betreuung, ist aber geschäftsfähig, kann er den Vertrag selbst abschließen. Für den geschäftsunfähigen Erblasser kann ein mit dem entsprechenden Aufgabenkreis ausgestatteter Betreuer den Verzicht erklären, der dann noch vom Betreuungsgericht genehmigt werden muss.

 

Rz. 4

Nicht immer wird die Geschäftsunfähigkeit bei einer Betreuungsanordnung festgestellt (im Zweifel sollte die Betreuungsakte nach einem entsprechenden Gutachten durchgesehen werden). Ist der Betreute geschäftsfähig, würde nach dem Wortlaut der Norm eine Vertretung durch den Betreuer auch mit Genehmigung des Betreuungsgerichts unzulässig und damit unwirksam sein. Dies kann zu Rechtsunsicherheit führen. Denkbar ist, dass der Betreute in solchen Fällen den Vertrag zum einen selbst und zum anderen vertreten durch den Betreuer abschließt. Das mag pragmatisch sein. Es wird aber ein zum Teil unwirksamer oder von zwei Verträgen ein Vertrag unwirksam beurkundet. Ein anderer Weg wäre es – wenn der Zeitlauf es zulässt –, beim Betreuungsgericht speziell die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Abschluss eines Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrags mit …" anzuregen. Im Rahmen der ohnehin notwendigen Erforderlichkeitsprüfung gemäß § 1896 BGB muss dann die Geschäftsfähigkeit geprüft werden, weil bei bestehender Geschäftsfähigkeit der Betreute den Vertrag selbst schließen könnte und daher eine Betreuung mit diesem Aufgabenkreis nicht erforderlich wäre.

Es ist nicht möglich, einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, welcher dem Betreuten den Erbverzicht mit Einwilligung des Betreuers erlaubt, § 1903 Abs. 2 BGB.

3. Minderjähriger Erblasser

 

Rz. 5

Bei Minderjährigen muss zwischen dem geschäftsunfähigen Erblasser (§ 104 BGB) und dem beschränkt geschäftsfähigen Erblasser (§ 106 BGB) unterschieden werden.

Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser muss die Erklärung selbst abgeben. Eine vormundschaftliche Genehmigung ist nicht notwendig. Bei einem reinen Erbverzicht – also ohne Gegenleistung des Erblassers – benötigt der beschränkt geschäftsfähige Erblasser keine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, da er ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist.

Der geschäftsunfähige Erblasser kann in Durchbrechung des Prinzips der Höchstpersönlichkeit vertreten werden. Eine Genehmigung des Familiengerichts ist dann notwendig.

4. Genehmigung

 

Rz. 6

Ist eine gerichtliche Genehmigung notwendig, muss sie nach allgemeiner Meinung vor dem Tod des Erblassers erteilt und der anderen Seite mitgeteilt werden. Das kann mit dem Gebot der Rechtssicherheit begründet werden, aber auch damit, dass die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters mit dem Tod des Vertretenen erlischt.

 

Rz. 7

Die gerichtliche Genehmigung muss nach ganz herrschender Meinung auch vor dem Tod des Verzichtenden erteilt und mitgeteilt werden. Nach dem Tod hätten die nachfolgenden Abkömmlinge eine eigene Rechtsposition, in die n...

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