Rz. 6

Der Grund, auf den der Erblasser die Pflichtteilsentziehung stützt, muss im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen – schon[20] – bestehen.[21] Das ist dann der Fall, wenn der maßgebliche Lebenssachverhalt zu diesem Zeitpunkt noch gegeben ist oder bereits der Vergangenheit angehört. Einer fortgesetzten Verfehlung bedarf es grundsätzlich nicht.[22] Soweit aber eine längere Zeit andauernde Verhaltensweise die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen soll, kommt es entscheidend auf die bei zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung bereits verwirklichten Teilakte an. Diese müssen – für sich genommen – einen einschlägigen Entziehungsgrund darstellen und auch in der letztwilligen Verfügung entsprechend ausgeführt werden.[23]

Verfehlungen, die erst nach Testamentserrichtung begangen werden, scheiden grundsätzlich aus.[24] Das gilt auch dann, wenn der Erblasser mit einer Fortsetzung eines bereits begonnen Verhaltens(musters) rechnet.[25] Zulässig ist aber eine Entziehung, die nur für den Fall gelten soll, dass ein bestimmter Sachverhalt, über dessen Bestehen der Erblasser sich nicht eindeutig im Klaren ist, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung tatsächlich erfüllt ist.[26] Eine später eintretende Besserung des Verhaltens des Pflichtteilsberechtigten konnte sich früher (vor der Erbrechtsreform 2010) im Rahmen einer Entziehung nach § 2333 Nr. 5 BGB a.F. (sozusagen automatisch) auswirken, nach aktuellem Recht spielt dies indes keine Rolle mehr. In Betracht kommt aber nach wie vor eine Verzeihung nach § 2337 BGB.

 

Rz. 7

Bildet eine Verfehlung gegen den Ehegatten des Erblassers den Grund der Pflichtteilsentziehung, ist es unschädlich, wenn die Ehe zur Zeit der Testamentserrichtung nicht mehr besteht.[27] Gleiches gilt im Falle der eingetragenen Lebenspartnerschaft.[28]

 

Rz. 8

Soweit es um eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB geht, genügt es gem. Abs. 2 S. 2, dass die Straftat zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung begangen ist. Die rechtskräftige Verurteilung muss aber noch nicht vorliegen.[29]

[20] Pflichtteilsentziehung wegen evtl. zukünftiger Verfehlungen ist unzulässig u. entfaltet daher keine Rechtswirkung; vgl. RGZ 168, 34; RG HRR 1942, Nr. 524; Soergel/Dieckmann, § 2336 Rn 4; Staudinger/Olshausen [2015], § 2336 Rn 8.
[21] BeckOGK/Rudy § 2336 Rn 1; Hölscher/J. Mayer, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 71; MüKo/Lange, § 2336 Rn 4.
[22] RGRK/Johannsen, § 2336 Rn 3; Staudinger/Olshausen [2015], § 2336 Rn 7; Soergel/Dieckmann, § 2336 Rn 4.
[23] BeckOGK/Rudy § 2336 Rn 4; Staudinger/Olshausen [2015], vor § 2333 Rn 22.
[24] OLG Hamm OLGR 2007, 312; Erman/Röthel § 2336 Rn 3.
[25] BeckOGK/Rudy § 2336 Rn 4; Staudinger/Olshausen [2015], § 2336 Rn 8.
[26] RG DR 1939, 282; Staudinger/Olshausen [2015], § 2336 Rn 9; RGRK/Johannsen, § 2336 Rn 4.
[27] Palandt/Weidlich, § 2336 Rn 2; MüKo/Lange, § 2336 Rn 4.
[28] Soergel/Dieckmann, § 2336 Rn 4.
[29] Vgl. auch Lange, DNotZ 2009, 732, 739.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge