Rz. 29

Gemischte Schenkungen zeichnen sich dadurch aus, dass das vereinbarte und geleistete Entgelt wertmäßig hinter der Leistung des Zuwendenden zurückbleibt und die Parteien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit der erfolgten Zuwendung einig sind.[120] Gerade in Fällen der vorweggenommenen Erbfolge und bei sonstigen Zuwendungen unter nahen Angehörigen kommt der gemischten Schenkung erhebliche Bedeutung zu, wobei hinsichtlich der Abgrenzung zu vollentgeltlichen Geschäften das oben Gesagte gilt. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ist hier nur der unentgeltliche Teil des Zuwendungsverhältnisses relevant.[121] Für die Wertverhältnisse der wechselseitig auszutauschenden Leistungen kommt es dabei im Wesentlichen auf die Vorstellungen der Parteien an.[122] Erst bei einem auffallend groben Missverhältnis zu den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung kann die Parteivereinbarung insoweit keinen Bestand haben.[123] Für die Bewertung, ob und inwieweit die Parteivereinbarungen anerkennenswert sind, ist auch das Verwandtschaftsverhältnis der Beteiligten zu berücksichtigen.[124] Maßgeblich ist jeweils der Zeitpunkt der Zuwendung.[125]

 

Rz. 30

Im Übrigen sind klare Grenzwerte, bei deren Einhaltung (noch) von einer die Unentgeltlichkeit ausschließenden angemessenen Gegenleistung auszugehen ist, bislang nicht erkennbar. Der BGH hat sich insoweit nicht festgelegt,[126] sondern vielmehr betont, dass mathematisch klar berechenbare und allgemeingültige Grenzwerte wohl nicht existierten.[127]

In der Lit. werden dessen ungeachtet verschiedene Schwellenwerte diskutiert. So soll bspw. jedenfalls ein Mehrwert von 20–25 % für eine (teilweise) unentgeltliche Zuwendung sprechen.[128] Mitunter wird die Schwelle zur Unentgeltlichkeit noch (deutlich) niedriger angesetzt.[129]

 

Rz. 31

Nach Auffassung des OLG Koblenz ist bei einer Gegenleistung, die objektiv den Wert des übertragenen Grundstücks um weniger als 1/5 unterschreitet, kein grobes Missverhältnis anzunehmen, so das – vorbehaltlich eines abweichenden Willens der Vertragsparteien – nicht (automatisch) eine gemischte Schenkung angenommen werden könne.[130] Dies gelte umso mehr in Fällen, in denen die exakte Bewertung für die Vertragsparteien nicht auf der Hand liege[131] (bspw. bei Nießbrauchsgestaltungen).

Dieser Gedanke sollte auch bei der Beurteilung von Versorgungsleistungen berücksichtigt werden, zumal der BGH zu Recht davon ausgeht, dass sich der Erblasser/Schenker die häusliche Versorgung durchaus "etwas kosten lassen darf".[132] Vor diesem Hintergrund ist den Vertragsparteien jedenfalls ein gewisser (nicht zu knapp bemessener) Bewertungsspielraum einzuräumen.[133] Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass es nach dem Prinzip der subjektiven Äquivalenz entscheidend auf die Willensrichtung der Vertragsparteien, und nicht unbedingt auf die objektiven Wertverhältnisse, ankommt. Gerade unter Verwandten sind vielfach Konstellationen denkbar, in denen die objektiv fehlende Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung subjektiv nicht wahrgenommen wird, so dass die Beteiligten von einander jeweils gleichwertig gegenüberstehenden Leistungen ausgehen.[134]

 

Rz. 32

Dies alles führt zu einer aus der Perspektive des (beweispflichtigen) Pflichtteilsberechtigten auf den ersten Blick recht schwierigen Nachweissituation. Dem trägt die Rspr. allerdings dadurch Rechnung, dass der Pflichtteilsschuldner einer zunächst behaupteten Unentgeltlichkeit im Wege des substantiierten Bestreitens entgegentreten muss.[135]

[120] BGH NJW-RR 1993, 773, 774; BGH ZEV 2013, 213, 214.
[121] BGH NJW 1972, 1709; Brandenburgisches OLG FamRZ 2010, 933, 934; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 36; MüKo/Lange, § 2325 Rn 20.
[125] OLG Celle FamRZ 2009, 462; OLG Bamberg ZEV 2008, 386; OLG Koblenz ZErb 2006, 282.
[126] OLG Schleswig v. 25.10.2011 – 3 U 112/10, BeckRS 2013, 08631; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 37.
[127] BGH ZEV 2012, 110, 112.
[128] BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 37; Rösler, in: Groll/Steiner, PraxisHB Erbrechtsberatung, § 26 Rn 26.295.
[129] Müller, EE 2008, 30, 33: 10 %; Cornelius, Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, Rn 37: maximal 5 %.
[130] OLG Koblenz ZErb 2006, 282, 283. Der Kaufpreis entsprach (angeblich) 81 % des Grundstückswerts.
[131] Vgl. hierzu auch BGH NJW 1995, 1349, 1350.
[132] BGH ZEV 2002, 282, 283; BGH ZEV 2012, 37, 39; OLG Oldenburg NJW-RR 1992, 778, 779.
[133] Schindler, ZErb 2004, 46, 51; BeckOGK/Schindler, § 2325 Rn 39.
[135] BGH ZEV 1996, 186, 187.

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