Gesetzestext

 

(1)1Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. 2Das Gleiche gilt von einer Auflage.

(2)Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt.

(3)Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichtteilslast das Vermächtnis und die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die §§ 23182324 BGB regeln die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis zwischen den einzelnen Nachlassbeteiligten (Alleinerbe, Miterben, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte). Auf das Außenverhältnis haben die Vorschriften mit Ausnahme des § 2319 BGB keinerlei Auswirkung.

 

Rz. 2

Für den Pflichtteilsanspruch haftet(n) der bzw. die Erben. An ihn/sie muss sich der Pflichtteilsberechtigte für die Erfüllung seines Anspruchs halten.[1] Der Alleinerbe bzw. die Miterben haben auch die vom Erblasser angeordneten Vermächtnisse und Auflagen zu erfüllen. Vermächtnisse und Auflagen bleiben bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs jedoch unberücksichtigt. Daher gewährt § 2318 BGB dem Erben ein Kürzungsrecht, das es ihm erlaubt, die Pflichtteilslast im Innenverhältnis anteilsmäßig auf Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte abzuwälzen.

 

Rz. 3

Bei diesem Kürzungsrecht nach § 2318 BGB handelt es sich um eine peremptorische Einrede.[2] Die Vorschrift ist nach § 2324 BGB im Hinblick auf Abs. 1 abdingbar.[3] Leistet der Erbe, ohne sein Kürzungsrecht zu kennen, kann er den Kürzungsbetrag gem. § 813 BGB vom Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigten zurückfordern.[4] Die Kürzung ist zulässig im Hinblick auf den ordentlichen Pflichtteil und auch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch, der den Erben belastet.[5] Die Vorschrift des § 2318 BGB wird durch § 2322 BGB verdrängt.[6]

[1] RG JW 1914, 593 = WarnR 1914, Nr. 168.
[2] MüKo/Lange, § 2318 Rn 2; v. Olshausen, MDR 1986, 89.
[3] MüKo/Lange, § 2318 Rn 1.
[4] KG FamRZ 1977, 267, 269; Tanck, ZEV 1998, 132, 133; Staudinger/Otte, § 2318 Rn 4.
[5] Soergel/Dieckmann, § 2318 Rn 1.
[6] BGH NJW 83, 2378, 2379 ff.

B. Tatbestand

I. Kürzungsbefugnis (Abs. 1)

 

Rz. 4

Gem. Abs. 1 kann der Erbe gegenüber Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten anteilsmäßige Beteiligung an der Pflichtteilslast verlangen, sofern sich aus den §§ 2321, 2322 BGB nichts anderes ergibt bzw. der Erblasser keine abweichenden Anordnungen nach § 2324 BGB getroffen hat. § 2318 BGB greift grundsätzlich nicht nur zugunsten des pflichtteilsberechtigten Alleinerben, sondern auch bei einer Erbenmehrheit ein. Auch dem Testamentsvollstrecker steht in gleichem Umfang wie den Erben das Kürzungsrecht des § 2318 BGB zu.[7]

 

Rz. 5

Das Kürzungsrecht bezieht sich auch auf gesetzliche Vermächtnisse, wie etwa den Dreißigsten nach § 1969 BGB,[8] nicht jedoch auf den Voraus des Ehegatten, § 2332 BGB,[9] den Unterhaltsanspruch der Mutter eines ungeborenen Erben nach § 1963 BGB sowie den Ausbildungsanspruch des Stiefabkömmlings nach § 1371 Abs. 4 BGB. Hierbei handelt es sich nicht um Vermächtnisse.[10] Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte haben sich entsprechend des Wertes ihrer Beteiligung am Nachlass an der Pflichtteilslast zu beteiligen, was zu einer gleichmäßigen Verteilung der Pflichtteilslast unter den Nachlassbeteiligten führt. Voraussetzung für die Kürzungsbefugnis ist, dass ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, durch welchen der oder die Erben wirtschaftlich belastet werden.[11] Die bloße Ankündigung der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs beinhaltet aber noch keine den Erben wirtschaftlich treffende Inanspruchnahme.[12] Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte schenkweise auf seinen Pflichtteilsanspruch, so bleibt das Kürzungsrecht bestehen.[13] Es entfällt, wenn der Pflichtteilsanspruch bereits verjährt ist.[14] Bei Vermächtnissen, die auf eine unteilbare Leistung gerichtet sind, kann eine Kürzung nicht erfolgen. Der Erbe kann vom Vermächtnisnehmer die Erstattung des hypothetischen Kürzungsbetrages verlangen. Vor der Erstattung braucht er das Vermächtnis nicht zu erfüllen. Verweigert der Vermächtnisnehmer die Zahlung, muss der Erbe nur den um den Kürzungsbetrag verminderten Vermächtniswert in Geld leisten.[15]

[7] OLG München Erbecht effektiv 2009, 114.
[8] Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 1; MüKo/Lange, § 2318 Rn 5; a.A. Staudinger/Otte, § 2318 Rn 8.
[9] Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 2; MüKo/Lange, § 2318 Rn 5.
[10] Staudinger/Otte, § 2318 Rn 8.
[11] Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 1; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 238, 240.
[13] LG München II NJW-RR 1989, 8; Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 1.
[15] BGHZ 19, 309, 311, 312 = JZ 1956, 283.

II. Durchführung der Kürzung

 

Rz. 6

Die Vorschrift will die wertverhältnismäßige Verteilung der Pflichtteilslast auf Erben und Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigte regeln.[16] Dies wird erreicht, wenn sich die Pflichtteilslast der Erben im Verhältnis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge