Rz. 6

Die Vorschrift will die wertverhältnismäßige Verteilung der Pflichtteilslast auf Erben und Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigte regeln.[16] Dies wird erreicht, wenn sich die Pflichtteilslast der Erben im Verhältnis zu der des Vermächtnis- oder Auflagenbegünstigten entsprechend der wertmäßigen Nachlassbeteiligung des Erben zu der des Vermächtnisnehmers bzw. Auflagenbegünstigten verhält, wobei der Nachlasswert ohne Abzug des Pflichtteils, aber in Abweichung zu § 2311 BGB unter Berücksichtigung aller Vermächtnisse und Auflagen zu ermitteln ist.[17] Der Kürzungsbetrag ermittelt sich nach der sog. Martin’schen Formel:[18]

 

Beispiel

Der Nachlass beträgt 60.000 EUR. Alleinerbin ist die Lebensgefährtin L des Erblassers E. Der einzige Sohn S ist enterbt. Bzgl. des Freundes D ist ein Vermächtnis i.H.v. 20.000 EUR ausgesetzt.

Der Kürzungsbetrag beträgt nach Anwendung der Martin’schen Formel 10.000 EUR.

 

Rz. 7

Bestehen weder Anrechnungs- noch Ausgleichungspflichten, kann der Kürzungsbetrag unter Zugrundelegung der Pflichtteilsquote des Pflichtteilsberechtigten einfacher errechnet werden. Der Kürzungsbetrag entspricht der Pflichtteilsquote, ausgedrückt in Prozent.[19]

 

Rz. 8

Bei mehreren Vermächtnisnehmern bzw. Auflagebegünstigten besteht das Recht zur Kürzung gegenüber jedem durch Vermächtnis oder Auflage Begünstigten. Etwas anderes gilt nur bei abweichender Anordnung des Erblassers[20] oder wenn Abs. 2 entgegensteht. Der Kürzungsbetrag errechnet sich nach der oben dargestellten Martin’schen Formel,[21] wobei sich das Verhältnis aus dem Anteil aller Zuwendungen am Nachlasswert ergibt.[22]

 

Rz. 9

Nach Abs. 1 tragen die Erben im Innenverhältnis zu den Vermächtnisnehmern (und Auflagenbegünstigten) die Pflichtteilslast anteilig, wenn der Erblasser keine anderweitige Regelung getroffen hat (§ 2324 BGB) und kein Ausnahmetatbestand vorliegt (§§ 2321, 2322 BGB). Eine Kürzung des Vermächtnisses darf aber nur dann erfolgen, wenn ein Pflichtteilsanspruch gegen die Erben geltend gemacht werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn die Erben mit dem Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich nicht belastet sind, weil dieser objektiv verjährt ist. Die Beweislast dafür, dass der Pflichtteilsanspruch nicht verjährt ist bzw. die Verjährung gehemmt ist, tragen die Erben. Für den Wegfall des Kürzungsrechts kommt es nicht darauf an, ob die mit dem Pflichtteilsanspruch belasteten Erben die Verjährungseinrede tatsächlich erheben[23]

[16] KG FamRZ 1977, 267, 268.
[17] Martin, ZBIFG 14, 789, 790.
[18] Martin, ZBIFG 14, 789 ff.; Staudinger/Otte, § 2318 Rn 10.
[19] Soergel/Dieckmann, § 2318 Rn 4; Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 2.
[20] Staudinger/Otte, § 2318 Rn 12.
[21] Staudinger/Otte, § 2318 Rn 12.
[22] Palandt/Weidlich, § 2318 Rn 2.
[23] OLG München Erbrecht effektiv 2009, 114.

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