Rz. 3

Vom Wortlaut der Vorschrift[13] her ist klar, dass ein Auskunftsanspruch zugunsten des Erben grundsätzlich nicht besteht. Der Gesetzgeber hat sich insoweit von der Vorstellung leiten lassen, dass der Erbe (auch der Miterbe) als Gesamtrechtsnachfolger auf eigenständige Auskunftsansprüche nicht angewiesen sei (Informationsrechte des Erben ergeben sich insbesondere aus §§ 2027, 2028, 2038, 2057 sowie §§ 666, 668 BGB). Hieraus folgerte auch die Rspr. ursprünglich, dass dem pflichtteilsberechtigten Erben ein Auskunftsanspruch nicht zustehen könne.[14] Die ausschließliche Orientierung am Wortlaut des § 2314 BGB wird aber bestimmten Sondersituationen, in denen auch der Miterbe durch ähnliche Wissensdefizite an der erfolgreichen Geltendmachung seiner Ansprüche gehindert wird wie der pflichtteilsberechtigte Nichterbe, nicht gerecht. Hat der Erblasser bspw. zu seinen Lebzeiten den Großteil seines Vermögens auf eine Person übertragen, die später gemeinsam mit den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen Erbe wird, greifen die dem Miterben typischerweise zukommenden Informationsrechte nicht durch, so dass die Pflichtteilsberechtigten praktisch keine Möglichkeit hätten, Art und Umfang der lebzeitigen Zuwendungen in Erfahrung zu bringen, wenn im Nachlass keine hierüber Aufschluss gebenden Dokumente vorhanden sind.[15] Vor diesem Hintergrund hat sich mittlerweile sowohl in der Lit. als auch in der Rspr. die Einsicht durchgesetzt, dass in Fällen der beschriebenen Art auch dem pflichtteilsberechtigten Erben ein Auskunftsanspruch zustehen muss. Umstritten ist allerdings dessen Rechtsgrundlage: während Teile des Schrifttums eine entsprechende Anwendung von § 2314 BGB befürworten,[16] löst die Rspr. – und mit ihr Teile der Literatur – das Problem überwiegend durch Anwendung der Grundsätze des § 242 BGB.[17] Demnach ist ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch nach Treu und Glauben immer dann anzunehmen, wenn "der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, der durch sie nicht unbillig belastet wird".[18]

 

Rz. 4

Unterschiede zwischen beiden Ansätzen ergeben sich sowohl hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen als auch hinsichtlich des konkreten Anspruchsinhalts und nicht zuletzt bezüglich der Kostentragungspflicht.[19] Auch wenn der h.M. zuzugeben ist, dass sie sich am klaren Wortlaut des Gesetzes orientiert, wird sie der eigentlichen Zielsetzung des Pflichtteilsrechts nicht vollständig gerecht. Die Mindestteilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Vermögen des Erblassers wird nämlich grundsätzlich dadurch gewährleistet, dass der Berechtigte Anspruch auf die Hälfte des Werts seines gesetzlichen Erbteils hat. Dies gilt gem. §§ 2303 ff. BGB unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte vollständig enterbt oder unzureichend eingesetzt (§ 2305) oder als Vermächtnisnehmer berufen ist oder ohne Verlust seines Pflichtteilsrechts ausgeschlagen hat. Stellt man aber an den Auskunftsanspruch des pflichtteilsberechtigten Miterben höhere Anforderungen als an den des Nichterben, bürdet man ihm gar noch die Kosten der Auskunftserteilung und der Wertermittlung auf,[20] führt dies zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung, die es dem pflichtteilsberechtigten Miterben unmöglich macht, seinen vollen Anspruch wirtschaftlich zu realisieren. Vor diesem Hintergrund muss auch dem Miterben, wenn er selbst weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, sich die benötigten Informationen zu beschaffen, ein Auskunftsanspruch in entsprechender Anwendung des § 2314 BGB zustehen.[21] Abgesehen von dem Recht auf Zuziehung, das der Miterben auch ohne ausdrückliche Anordnung in § 2314 BGB ohnehin hat, ist die Vorschrift auch zu seinen Gunsten in vollem Umfange anzuwenden.

 

Rz. 5

Ähnlich stellt sich die Situation beim Nacherben dar. Gem. § 2306 Abs. 2 BGB gilt der zum Nacherben berufene Pflichtteilsberechtigte als Erbe (wenn auch als mit einer Beschränkung belasteter).[22] Gesetzliche Auskunftsrechte ergeben sich für ihn aus §§ 2121, 2122, 2117 BGB.[23] Ein Wertermittlungsanspruch wird hier aber nicht gewährt. Dieses Defizit will der BGH dadurch lösen, dass er den Nacherben als berechtigt ansieht, anlässlich der Feststellung des Zustandes der Erbschaft (§ 2122 S. 2 BGB) "auf seine Kosten zugleich auch den Wert ermitteln" zu lassen.[24] Dies erscheint aber aus den oben dargestellten Erwägungen unbillig und im Interesse einer sinnvollen Sicherung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten als nicht ausreichend.

 

Rz. 6

Anders stellt sich die Situation in aller Regel beim Alleinerben oder Vertragserben dar. Er kann gegenüber einem nicht als Erben berufenen Dritten, namentlich dem vom Erblasser Beschenkten, nur Auskunftsansprüche nach den Grundsätzen des § 242 BGB geltend machen.[25] Diese Ungleichbehandlung gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Miterben ist bereits aus dem Grund gerechtfertigt, dass den Beschenkten nur im Hinblick auf § 2329 BGB überhaupt ir...

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