Rz. 35

Neben der Vorlage des privaten Nachlassverzeichnisses kann der Pflichtteilsberechtigte auch ein amtliches bzw. notarielles Nachlassverzeichnis verlangen.[147] Voraussetzung hierfür ist lediglich das grundsätzliche Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB. Weitere Bedingungen existieren nicht. Insbesondere wird das Recht auf ein amtliches Verzeichnis nicht durch die bereits erfolgte Vorlage eines privaten Nachlassverzeichnisses ausgeschlossen[148] Nur in Ausnahmefällen steht dem Anspruch der Einwand der Schikane bzw. unzulässigen Rechtsausübung entgegen.[149] Beide Ansprüche bestehen kumulativ.[150] Auch die erfolgreiche Klage auf Erteilung der privaten Auskunft und die anschließende Erfüllung des titulierten Anspruchs ändert hieran nichts,[151] ebenso wenig die Zuziehung des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung des Verzeichnisses.[152] Allerdings ist nach Vorlage eines amtlich erstellten Verzeichnisses die Anforderung eines privaten Nachlassverzeichnisses regelmäßig rechtsmissbräuchlich.[153]

 

Rz. 36

Die Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses ist eine Beurkundungshandlung und obliegt daher nach Bundesrecht grundsätzlich dem Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO). Demzufolge genügt es unter keinen Umständen, wenn der Erbe ein privatschriftlich erstelltes Nachlassverzeichnis nebst einer eidesstattlichen Versicherung, unter der seine Unterschrift notariell beglaubigt wurde, vorlegt.[154] Der Notar muss das Verzeichnis selbst aufnehmen und darf sich dabei nicht vertreten lassen; die Zuziehung von Hilfspersonen, insbesondere im Rahmen der Vorbereitung, also Sichtung von Unterlagen etc., ist aber zulässig.[155] Der Notar hat seine Urkunde zu unterzeichnen.[156]

 

Rz. 37

Nach Landesrecht kann für die Aufnahme des Verzeichnisses neben der des Notars auch die Zuständigkeit des AG – nicht des Nachlassgerichts – begründet sein.[157] Da der Pflichtteilsberechtigte selbst nicht antragsberechtigt ist,[158] kann er seinen Anspruch auf Erstellung des amtlichen Verzeichnisses nicht selbst, also ohne Mitwirkung des Erben durchsetzen; erforderlichenfalls muss er seinen Anspruch daher im Klagewege verfolgen.[159]

 

Rz. 38

Inhaltlich sind das private und das notarielle Nachlassverzeichnis grundsätzlich identisch.[160] Ob von dem notariellen Verzeichnis eine höhere Beweiswirkung ausgeht,[161] hängt vor allem von der Frage ab, wie die Aufstellung konkret zu erfolgen hat.[162] Während früher teilweise vertreten wurde, der Erbe könne die Auflistung der Inventarstücke selbst durchführen, um sie anschließend dem Notar zu übergeben,[163] muss man aus dem Sinn und Zweck des notariellen Verzeichnisses wohl folgern, dass der Notar selbst alle zur Erstellung des Verzeichnisses notwendigen Handlungen selbst (ggf. unterstützt von Hilfspersonen) vornehmen muss.[164] Der nach der h.M. geforderte Hinweis an den Erben, dass er seine Angaben vollständig und der Wahrheit entsprechend zu machen habe,[165] genügt jedenfalls nicht. Ebenso wenig ist eine reine Plausibilitätsprüfung ausreichend.[166] Vor diesem Hintergrund bildet z.B. die Beglaubigung der Unterschrift unter einem privatschriftlich erstellten und mit einer eidesstattlichen Versicherung versehenen Nachlassverzeichnis kein notarielles Verzeichnis i.S.v. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB.[167]

Auch wenn der Erbe im Rahmen der Erstellung eines amtlichen Verzeichnisses verpflichtet ist, den Notar über Nachlassbestand, Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers vollständig und wahrheitsgemäß zu informieren,[168] ist davon auszugehen, dass der Notar oftmals zu eigenen Ermittlungshandlungen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist.[169] Eine Vertretung ist grundsätzlich nicht möglich.[170] Nichtsdestotrotz setzt die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses im Regelfall voraus, dass der Auskunftsschuldner persönlich anwesend ist und für Belehrungen, Nachfragen und Erläuterungen zur Verfügung steht.[171] Auch insoweit ist eine Vertretung (z.B. durch einen Prozessbevollmächtigten) grundsätzlich nicht möglich.[172]

 

Rz. 39

Der Umfang der eigenen Ermittlungshandlungen liegt grundsätzlich im Ermessen des Notars.[173] Der Ermessensspielraum endet in jedem Fall an dem Punkt, an dem der Erbe den Versuch unternimmt zu entscheiden, was in das Verzeichnis aufgenommen wird und was nicht. Denn diese Entscheidung ist allein dem Notar/der Amtsperson vorbehalten.[174] Im Regelfall hat der Notar auch die vom Erblasser bewohnte Wohnung in Augenschein zu nehmen.[175] Der Erbe hat ihm den Zutritt zu der vom Erblasser bewohnten Wohnung zu gewähren.[176]

 

Rz. 40

Darüber hinaus muss der Notar auch hinsichtlich des übrigen – sowohl des realen als auch des fiktiven – Nachlasses eigene Ermittlungen anstellen. Hierzu ist er, wie gesagt, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.[177] Vor diesem Hintergrund wird er regelmäßig bei den Grundbuchämtern in räumlicher Nähe zum letzten Wohnsitz des Erblassers und auch bei den örtlichen Kreditinstituten Recherchen anstellen.[178] Bei Vorliegen ausreichender Anhaltspunkte...

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