Rz. 241

Aus der Sicht des IDW weisen Unternehmensbewertungen im familien- sowie auch im erbrechtlichen Kontext Besonderheiten gegenüber sonstigen Bewertungsanlässen auf. Diese wurden im Jahr 2016 in dem Bewertungsstandard IDW S 13 "Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht" zusammengefasst.

IDW S 13 ergänzt die eigentliche Unternehmensbewertung um eine weitere Begutachtungsstufe, nämlich die Überleitung des Unternehmenswerts zu einem familien- oder erbrechtlichen Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch. Diese zweite Stufe spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn, beispielsweise aufgrund rechtlicher Vorgaben, von einer gedachten Veräußerung des Unternehmens bzw. der Beteiligung auszugehen ist.[664] Das ist im Recht des Zugewinnausgleichs regelmäßig der Fall.[665] Für das Pflichtteilsrecht gilt – jedenfalls nach Auffassung der Rechtsprechung (vgl. Rdn 60) – dasselbe (hier allerdings zu Unrecht, vgl. Rdn 63 ff.).

 

Rz. 242

Bei Unterstellung eines Veräußerungsszenarios sind (aus systematisch zwingenden Gründen) die dabei anfallenden (latenten) Ertragsteuerlasten (vgl. hierzu Rdn 346 ff.) (wenigstens fiktiv) zu berücksichtigen, da es sich bei diesen um "unvermeidbare Veräußerungskosten" handelt.[666]

 

Rz. 243

Allein die Berechnung dieser (latenten) Steuern birgt in der Praxis erhebliche Probleme. Dessen ungeachtet ist aus Sicht des IDW aber – in bestimmten Konstellationen – spiegelbildlich zu den latenten Steuern auf der (fiktiven) Veräußererseite auch zu prüfen, ob bzw. welche steuerlichen Effekte auf der Erwerberseite zu erwarten sind und wie sich diese ggf. auf einen erzielbaren Verkaufspreis auswirken.

Jedenfalls bei Personenunternehmen ist nach IDW S 13 ein (kaufpreiserhöhender) abschreibungsbedingter Steuervorteil (Tax Amortisation Benefit)[667] zu berücksichtigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine (fiktive) Veräußerung, die mit einer Aufdeckung der stillen Reserven durch den Veräußerer einhergeht, für den Erwerber zu Anschaffungskosten in entsprechender Höhe führt. Diese sind prinzipiell in der Zeit nach dem Erwerb mit steuerlicher Wirkung abzuschreiben, was zu einer Reduzierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und somit zu einer zukünftigen Steuerersparnis für den Erwerber führt.[668] Da der sich hieraus ergebende abschreibungsbedingte Steuervorteil durch jeden gedachten Erwerber realisiert werden könnten,[669] ist er auch (und gerade) im Rahmen der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts zu berücksichtigen, und zwar werterhöhend.[670]

[664] Vgl. IDW S 13, Rn 9.
[665] Vgl. IDW S 13, Rn 37 unter Hinweis auf BGHZ 188, 249 ff.; vgl. BGH FamRZ 2011, 622 ff.
[666] Zur ausführlichen Kritik zum Ansatz latenter Steuern bei Fortführung vgl. Ballhorn/König, FuR 2016, 385; vgl. auch BGH FamRZ 2011, 622 ff.
[667] Vgl. IDW S 13, Rn 38.
[668] Zur Wirkungsweise des abschreibungsbedingten Steuervorteils (TAB) vgl. Ballhorn/König, FamRB 2017, 33 ff.; Ihlau/Kohl, WPg 2016, 163 ff.
[669] Vgl. Jonas, Abfindung und Besteuerung ausgeschlossener Gesellschafter, S. 277 f.
[670] Vgl. Fleischer/Hüttemann/Jonas, Unternehmensbewertung, § 15 Rn 84.

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