Rz. 292
Sowohl von der Rechtsprechung[789] als auch im juristischen Schrifttum[790] wird die indirekte Methode als das geeignetste Verfahren zur Anteilsbewertung angesehen.[791] Der BGH führt hierzu aus, dass der Umfang der Beteiligung am Unternehmen und der Unternehmenswert im Regelfall die wesentlichen Grundlagen für die Bemessung des Werts der Beteiligung bildeten.[792] Denn der vermögenswerte Gehalt der Beteiligung liege in der Mitberechtigung am Unternehmen und der anteiligen Nutzungsmöglichkeit des Unternehmenswerts.[793] Die direkte Methode wird hingegen als zu summarisch abgelehnt.[794]
Rz. 293
Nach einhelliger Meinung[795] sind Anteile an börsennotierten Kapitalgesellschaften im Rahmen der Nachlassbewertung – sowohl für Zwecke des Pflichtteilsrechts als auch im Hinblick auf andere erbrechtliche Ausgleichsansprüche – mit ihrem Kurswert am Todestag des Erblassers anzusetzen. Maßgeblich ist dabei der mittlere Tageskurs der Aktien an dem Börsenplatz, der dem letzten Wohnsitz des Erblassers am nächsten liegt.[796] Das Risiko, dass es durch diese Bewertung zu extrem hohen bzw. niedrigen Werten, die mit dem eigentlich realistischen Wert der Aktien gar nichts zu tun haben, kommen kann, ist nach herrschender Meinung systemimmanent und zwingt zu keiner abweichenden Sichtweise.[797] Soweit es sich bei den im Nachlass befindlichen Aktien um Anteile im Streubesitz handelt, ist der Sichtweise der herrschenden Meinung zuzustimmen.
Rz. 294
Eine andere Sichtweise ist jedoch angezeigt, wenn sich im Nachlass eine so große Beteiligung befindet, dass dem Anteilseigner eine unternehmerische Betätigung möglich ist. Bei der Veräußerung derart maßgeblicher Aktienpakete wird in der Praxis oftmals ein über dem Börsenkurs liegender Preis gezahlt; der Börsenkurs wird um sog. Paketzuschläge aufgestockt. Im Recht des Zugewinnausgleichs ist daher anerkannt, dass bei Aktienpaketen, "die unternehmerischen Einfluss sichern", der Börsenkurs um einen Paketzuschlag aufzustocken ist.[798] Soweit die Größe der Beteiligung und der mit der Bewertung verbundene Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, soll sogar eine Ableitung aus dem Unternehmensgesamtwert zu bevorzugen sein.[799] Umso mehr gilt dies, wenn nicht unmaßgebliche Teile der Aktien außerhalb der Börse gehandelt werden und der Börsenkurs daher wenig repräsentativ ist, insbesondere also bei Familiengesellschaften.[800]
Diese Grundsätze sind auch auf das Pflichtteilsrecht zu übertragen.
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