Rz. 2

Voraussetzung für die Anwendung von § 2305 BGB ist, dass der Pflichtteilsberechtigte (vgl. § 2303 BGB) Miterbe geworden ist.[9] Die Miterbenstellung ergibt sich entweder aufgrund letztwilliger Verfügung oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge (in Ausnahmefällen kann auch eine Schenkung von Todes wegen die Miterbenstellung begründen).[10] Letzteres allerdings nur in der Konstellation, dass der Erblasser Dritte in einem solchen Maße zu Erben beruft, dass für den gesetzlich erbenden Pflichtteilsberechtigten nur ein Erbteil unterhalb des Werts seines Pflichtteils verbleibt.[11]

Die Einsetzung (nur) als Ersatzerbe ist keine Erbeinsetzung i.S.v. § 2305 BGB. Vielmehr ist der Betroffene (zunächst) enterbt, so dass § 2305 BGB auf ihn gerade nicht anwendbar ist.[12] Hier kommen vielmehr ordentliche (§ 2303 BGB) und Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 BGB) in Betracht.

 

Rz. 3

Ob der dem Pflichtteilsberechtigten zugewendete Erbteil (i.S.v. § 2306 BGB) belastet ist, spielt für die Anwendung von § 2305 BGB nach der Änderung von § 2306 BGB im Zuge der Erbrechtsreform 2010 keine Rolle mehr.[13] Entscheidend ist, dass der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil (ggf. wertmäßig, vgl. Rdn 5 ff.) hinter der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zurückbleibt.

Insoweit geht es grundsätzlich (zu Ausgleichung und Anrechnung vgl. Rdn 5 ff.) um einen Quotenvergleich.[14] § 2305 S. 2 BGB ordnet ausdrücklich an, dass "bei der Berechnung des Werts" des hinterlassenen Erbteils Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht bleiben.[15] Das führt dazu, dass der hinterlassene Erbteil also auch bei Annahme weiterhin belastet bleibt und die bestehenden Beschränkungen oder Beschwerungen nicht etwa durch einen erhöhten Zusatzpflichtteil ausgeglichen werden.[16] Der Anspruchsberechtigte erhält daher bei Annahme des belasteten Erbteils nur dessen "Netto-Wert" zuzüglich des Zusatzpflichtteils.[17]

 

Rz. 4

Ist dem Pflichtteilsberechtigten genau die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils hinterlassen, steht ihm – vorbehaltlich einer etwaigen Ausschlagungsmöglichkeit nach § 2306 BGB – weder ein Pflichtteils- noch ein Zusatzpflichtteilsanspruch zu.[18] Maßgeblich ist hierbei, wie bereits angesprochen, grundsätzlich ein Vergleich der hinterlassenen Erbquote mit der Hälfte der dem Pflichtteilsberechtigten zustehenden gesetzlichen Erbquote.[19] Hat der Erblasser keine Quoten bestimmt, sondern bestimmte Vermögensgegenstände dinglich zugewiesen, muss die Erbquote aus dem Wertverhältnis der zugewiesenen Gegenstände zum gesamten Nachlass abgeleitet werden.[20]

 

Rz. 5

Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten, §§ 2315, 2316 BGB, führten vor der Erbrechtsreform nach h.M.[21] dazu, dass statt der Quotentheorie die sog. Werttheorie anzuwenden war, mit der Folge, dass ein Pflichtteilsanspruch nur bestand, wenn der Wert des dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassenen Erbteils geringer war als die Hälfte des sich nach Durchführung der Anrechnung bzw. Ausgleichung ergebenden Wertes des ihm gebührenden Erbteils (soweit abw. von der h.M. auch in diesen Fällen die Quotentheorie zur Anwendung kam, führte dies i.d.R. zum selben Ergebnis, allerdings nicht über § 2305 BGB, sondern über § 2316 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 6

Ob diese Sichtweise auch nach der Erbrechtsreform (also für Erbfälle nach dem 31.12.2009) noch ihre Gültigkeit hat, ist bislang nicht abschließend geklärt.[22] Die Anwendbarkeit der Werttheorie wird vor allem mit der Begründung in Zweifel gezogen, dass hierfür nach der Erbrechtsreform keine Notwendigkeit mehr bestehe.[23] Darüber hinaus habe der Gesetzgeber eine Gleichstellung des zum Erben eingesetzten Pflichtteilsberechtigten mit dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer angestrebt.[24]

 

Rz. 7

Für eine Anwendbarkeit der Werttheorie bei anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Vorempfängen i.S.d. §§ 2315, 2316 BGB scheint vor allem der Wortlaut der Vorschrift, der auf den "Wert" der Hälfte des gesetzlichen Erbteils bzw. des hieran fehlenden Teils Bezug nimmt, zu sprechen. Darüber hinaus besteht auch nach wie vor eine Notwendigkeit für die besondere Berücksichtigung ausgleichungs- bzw. anrechnungspflichtiger Vorempfänge. Die Änderungen im Bereich des § 2306 BGB spielen insoweit keine Rolle. Denn einen unbelasteten, wertmäßig aber hinter der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zurückbleibenden Erbteil kann der Pflichtteilsberechtigte nach wie vor nicht ausschlagen, ohne seines ordentlichen Pflichtteilsanspruchs (mit Ausnahme von § 2305 BGB) verlustig zu gehen. In dieser Konstellation hat er – das Vorliegen ausgleichungs- oder anrechnungspflichtiger Zuwendungen vorausgesetzt – nur eine Aussicht, den ihm zustehenden hälftigen Wert des gesetzlichen Erbteils zu realisieren, wenn auch im Rahmen von § 2305 BGB eine Berücksichtigung der lebzeitigen Zuwendungen gewährleistet ist.[25]

Diese erfolgt aber bereits durch Anwendung von §§ 2315, 2316 BGB, der die Einbeziehung ausgleichungs- und anrechnungspflichtiger Zuwendungen im Bereich des ...

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