Rz. 18

Im Bereich der gewährenden Anordnungen kommt mitunter auch eine Erbeinsetzung, ggf. in Höhe des Pflichtteils, in Betracht. Eine solche ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Erblasser die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten so ausgestaltet wissen wollte, dass dieser mit dem bzw. den (im Übrigen) eingesetzten Erben auf einer Stufe steht,[43] er also gemeinsam mit den übrigen Begünstigten in einer Erbengemeinschaft verbunden sein und auch an Wertveränderungen des Nachlasses nach Eintritt des Erbfalls teilhaben sollte (Sachwertteilnahme).[44]

 

Rz. 19

Wichtige Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Wortwahl (insbesondere bei einem juristisch beratenen Erblasser)[45] als auch aus dem Kontext der übrigen Anordnungen ergeben. Bei Fehlen weiterführender Anhaltspunkte sollte stets von einer bloßen Verweisung auf den Pflichtteil und nicht von einer Vermächtnisanordnung oder Erbeinsetzung ausgegangen werden.[46] Verwendet der Erblasser hingegen ausdrücklich den Begriff "Vermächtnis", bleibt für anderweitige Interpretationen i.d.R. kein Raum.[47]

[43] Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 5 unter Verweis auf BGH NJW 2004, 3558.
[44] OLG Hamm OLGZ 1982, 41, 44; KG OLGE 5, 359; Soergel/Dieckmann, § 2304 Rn 2; MüKo/Lange, § 2304 Rn 7; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 5.
[45] OLG München DNotZ 1936, 800, 802; RG WarnR 1933 Nr. 181; BayObLG Recht 1915 Nr. 2685; OLG Hamm OLGZ 1982, 41, 44; MüKo/Lange, § 2304 Rn 7; vgl. auch Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 6.
[46] Planck/Greiff, § 2304 Anm. II; Jauernig/Stürner, § 2304 Anm. 1a; Kretzschmar, § 92 II; MüKo/Lange, § 2304 Rn 7.
[47] MüKo/Lange, § 2304 Rn 10; vgl. auch Biebl, ZErb 2010, 99, 102, der auch ein Nebeneinander von Vermächtnis und Pflichtteil für denkbar hält. Solche Konstellationen sollten jedoch die Ausnahme darstellen.

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