Rz. 35

Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann ebenfalls zu einer Verschiebung der Erbquoten und folglich zu einer Veränderung der Pflichtteilsquoten führen. Dies hat seine Ursache in den besonderen Regelungen zum Erbrecht des überlebenden Ehegatten einer Zugewinn-Ehe.[156] Sedes materiae ist § 1371 BGB. Dieser lautet wie folgt:

 

§ 1371 BGB Zugewinnausgleich im Todesfall

(1)Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben.

(2)Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 verlangen; der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eines anderen Pflichtteilsberechtigten bestimmt sich in diesem Falle nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten.

(3)Schlägt der überlebende Ehegatte die Erbschaft aus, so kann er neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde; dies gilt nicht, wenn er durch Vertrag mit seinem Ehegatten auf sein gesetzliches Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

(4)Sind erbberechtigte Abkömmlinge des verstorbenen Ehegatten, welche nicht aus der durch den Tod dieses Ehegatten aufgelösten Ehe stammen, vorhanden, so ist der überlebende Ehegatte verpflichtet, diesen Abkömmlingen, wenn und soweit sie dessen bedürfen, die Mittel zu einer angemessenen Ausbildung aus dem nach Absatz 1 zusätzlich gewährten Viertel zu gewähren.

Grundsätzlich sieht § 1371 Abs. 1 BGB eine pauschale Abgeltung etwaiger Zugewinnausgleichsansprüche im Erbfall vor, und zwar durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils nach § 1931 BGB um ¼ (des Nachlasses).[157] Diese sog. erbrechtliche Lösung setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher oder testamentarischer Erbe des Erblassers geworden ist oder ihm wenigstens ein Vermächtnis hinterlassen wurde. Auf den tatsächlichen Umfang eines etwaigen Zugewinns bzw. darauf, ob oder wer diesen erzielt hat, kommt es bei der erbrechtlichen Lösung nicht an; sie ist von den konkreten Vermögenverhältnissen losgelöst. Auch auf die Dauer der Ehe kommt es nicht an.[158]

 

Rz. 36

Ist der überlebende Ehegatte enterbt (und erhält er auch kein Vermächtnis), sieht § 1371 Abs. 2 BGB eine Abwicklung nach den güterrechtlichen Vorgaben vor.[159] Der Zugewinnausgleich wird so bewirkt wie im Falle der Scheidung. Eine Erbteilserhöhung findet dann nicht statt (güterrechtliche Lösung).

Der überlebende Ehegatte ist allerdings an die Vorgaben des § 1371 Abs. 1 BGB (erbrechtliche Lösung) nicht gebunden; er hat vielmehr ein Wahlrecht (Abs. 3), kraft dessen er das ihm Hinterlassene (Erbteil, Vermächtnis) ausschlagen, sich also wie ein enterbter Ehegatte stellen kann, um dann den konkreten Zugewinnausgleich zu verlangen.[160] Daneben billigt ihm § 1371 Abs. 3 BGB den Pflichtteil aus dem (nicht erhöhten) gesetzlichen Erbteil zu, und zwar auch für den Fall, dass dieser nach den pflichtteilsrechtlichen Vorschriften (insbesondere § 2306 BGB) verloren ginge.[161]

[156] Vgl. hierzu z.B. Littig, FPR 2011, 241 ff.
[157] Littig, FPR 2011, 241, 242; Klingelhöffer, ZEV 1995, 444.
[158] OLG Bamberg OLGR 1999, 265.
[159] Klingelhöffer, ZEV 1995, 444 f.; MüKo/Lange, § 2303 Rn 37.
[160] BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 47.
[161] Littig, FPR 2011, 241, 243.

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