Gesetzestext

 

(1)Jeder der Vertragschließenden kann in dem Erbvertrag einseitig jede Verfügung treffen, die durch Testament getroffen werden kann.

(2)1Für eine Verfügung dieser Art gilt das Gleiche, wie wenn sie durch Testament getroffen worden wäre. 2Die Verfügung kann auch in einem Vertrag aufgehoben werden, durch den eine vertragsmäßige Verfügung aufgehoben wird.

(3)Wird der Erbvertrag durch Ausübung des Rücktrittsrechts oder durch Vertrag aufgehoben, so tritt die Verfügung außer Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 2299 BGB ist als Parallelvorschrift zu § 2278 BGB zu sehen; nach § 2278 BGB kann jeder Vertragsschließende vertragsmäßige, nach § 2299 BGB auch einseitige Verfügungen treffen. Nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen können Gegenstand einer vertragsmäßigen Verfügung sein; diese können aber auch, wie die übrigen Verfügungen, einseitig getroffen werden. Die Abgrenzung, ob eine vertragsmäßige oder einseitige Verfügung vorliegt, kann im Einzelfall schwierig sein (z.B. beim Änderungsvorbehalt). Sie ist aber erforderlich, denn der Erbvertrag zeichnet sich als echter Vertrag durch seine Bindungswirkung aus; diese kann aber nur Verfügungen erfassen, die auch vertragsmäßig getroffen worden ist. Die (vertragliche) Natur des Erbvertrages fordert daher mindestens eine vertragsmäßige Verfügung. Dagegen sind die einseitigen Verfügungen nur äußerlich Bestandteil des Erbvertrages; sie hätten ebenso auch durch ein Testament getroffen werden können, daher ist es auch sachgerecht, sie nach Testamentsrecht zu beurteilen; genau das macht § 2299 BGB deutlich.

B. Tatbestand

I. Einseitige Verfügungen

 

Rz. 2

In einem Erbvertrag kann nicht nur der Erblasser, sondern auch der nur annehmende Vertragspartner einseitige Verfügungen treffen; einseitige Verfügungen sind auch bei Erbeinsetzungen, Vermächtnissen, Auflagen oder einer Rechtswahl möglich, die in einem Erbvertrag zwar vertragsmäßig getroffen werden können, aber nicht müssen, vgl. § 2278 Abs. 2 BGB.[1] Andere letztwillige Verfügungen, wie z.B. Teilungsanordnung[2] – soweit sie kein Vorausvermächtnis enthält[3] –, Erbausschließung, § 1938 BGB,[4] oder Ernennung eines Testamentsvollsteckers[5] können dagegen nur als einseitige Verfügungen getroffen werden. Auch eine Enterbung kann nicht in vertragsmäßiger Weise, sondern nur als einseitige Verfügung getroffen werden.[6]

[1] Vgl. auch BayObLG FamRZ 1997, 911; OLG Hamm FamRZ 1996, 637.
[3] RG JW 1925, 359.
[4] Für die Pflichtteilsentziehung siehe BGH FamRZ 1961, 437.
[5] OLG Düsseldorf ZEV 1994, 302.
[6] OLG München NJW-RR 2006, 82.

II. Auslegung

 

Rz. 3

Die Abgrenzung, ob eine vertragsmäßige oder einseitige Verfügung vorliegt, kann im Einzelfall schwierig sein; sie ist aber erforderlich, denn die (vertragliche) Natur des Erbvertrages fordert, dass mindestens eine vertragsmäßige Verfügung getroffen worden ist. Ist zweifelhaft, ob eine vertragsmäßige Verfügung vorliegt, ist zu prüfen, inwieweit eine vertragliche Bindung gewollt war.[7] Das Interesse des Vertragspartners an der Vertragsmäßigkeit und damit an der Bindungswirkung einer Verfügung ist dabei besonders zu berücksichtigen, §§ 133, 157 BGB.[8] Eine solche vertragliche Bindung ist daher anzunehmen, wenn der Vertragspartner selbst[9] – insbesondere bei Anerkennung für seine Dienste[10] – oder eine ihm nahestehende dritte Person bedacht wird.[11] Setzen die Ehegatten für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten ihre Kinder ein, wird eine vertragsmäßige Verfügung ebenfalls anzunehmen sein.[12] Anders dagegen, wenn Verwandte bedacht werden; eine Bindung an die Verfügung zugunsten der eigenen Verwandten ist i.d.R. abzulehnen.[13] Steht fest, dass es sich um eine einseitige Verfügung handelt, dann ist die Auslegung ausschließlich nach §§ 133, 2084 BGB, nicht nach § 157 BGB vorzunehmen.[14]

[7] BayObLG FamRZ 1994, 196.
[8] BayObLG Rpfleger 1993, 448, 449; BayObLG FamRZ 1989, 1353, 1354.
[9] BGHZ 106, 359 = NJW 1989, 2885.
[10] BayObLGZ 1982, 474.
[13] BGH NJW 1961, 120.
[14] Soergel/Wolf, § 2299 Rn 2.

III. Anwendung des Testamentsrechts

 

Rz. 4

Nach Abs. 2 S. 1 unterfallen die einseitigen Verfügungen dem Testamentsrecht. Daher muss der einseitig Verfügende auch testierfähig sein (§ 2229 BGB) und kann die einseitigen Verfügungen – auch wenn er beim Erbvertrag nur Annehmender ist – nur persönlich treffen, § 2064 BGB. Eine Vertretung ist nicht möglich; schon vor Aufhebung des § 2275 Abs. 2 und 3 BGB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mit Wirkung zum 22.7.2017 waren §§ 2274, 2275 BGB als besondere Bestimmungen für den Erbvertrag (und die dort getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen) nicht anwendbar.[15]

[15] Soergel/Wolf, § 2299 Rn 4; a.A. Staudinger/Kanzleiter (2014), § 2299 Rn 5, wonach § 2275 BGB von der Verweisung des Abs. 1 umfasst sein soll; nach der Gesetzesänderung sieht Kanzleiter die zusätzliche Verweisung auf § 2275 BGB als sinnlos an, Staudinger/Kanzleiter, § 2299 Rn 5.

IV. Nichtigkeit des Erbvertrages

 

Rz. 5

Da die vertragsmäßigen Verfügungen zumindest rein äußerl...

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