Gesetzestext

 

Ein zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern geschlossener Erbvertrag kann auch durch ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten oder Lebenspartner aufgehoben werden; die Vorschrift des § 2290 Abs. 3 findet Anwendung.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

§ 2292 BGB erleichtert die Aufhebung eines zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern geschlossenen Erbvertrages; das gemeinschaftliche Testament geht daher dem früheren Erbvertrag vor, ungeachtet dessen, dass der Erbvertrag strengeren Formvorschriften unterliegt und seine Aufhebung grundsätzlich der notariellen Beurkundung bedarf (§§ 2276, 2290 Abs. 4, 2291 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus gilt § 2292 BGB im Gegensatz zu § 2291 BGB auch für vertragsmäßige Erbeinsetzungen und nicht nur für Vermächtnisse und Auflagen.

B. Tatbestand

I. Aufhebungstestament

 

Rz. 2

Die Aufhebung erfolgt durch ein gemeinschaftliches Testament. Da § 2292 BGB eine bestimmte Form nicht vorschreibt, ist die Errichtung in jeder nach §§ 2231 ff., 2266, 2267 BGB zulässigen Form möglich. § 2292 BGB sieht ausdrücklich ein "gemeinschaftliches" Testament vor, so dass zwei selbstständige Testamente der Ehegatten nicht ausreichen, auch wenn sie im beiderseitigen Einvernehmen über die Aufhebung errichtet worden sind.[1] Die Testierfähigkeit richtet sich nach §§ 2229 Abs. 1, nicht nach § 2290 Abs. 2 BGB.[2] Hat aber ein Ehegatte im Erbvertrag keine vertragsmäßigen Verfügungen getroffen, dann verweist Hs. 2 insoweit auf § 2290 Abs. 3 BGB, das bedeutet, dass der Vertragspartner für die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments, durch den der Erbvertrag aufgehoben werden soll, u.U. der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder der Genehmigung des BetreuungsG bedarf (vgl. hierzu die Ausführungen zu § 2290 BGB). Stand der Vertragspartner unter elterlicher Sorge, dann griff i.R.d. § 2292 BGB bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen zum 22.7.2017 stets die Ausnahme des § 2290 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BGB, wonach beim Erbvertrag unter Ehegatten eine Genehmigung des BetreuungsG nicht erforderlich war. Die Verweisung auf § 2290 Abs. 3 BGB hat des Weiteren zur Folge, dass die fehlende Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder Genehmigung des BetreuungsG von dem geschäftsfähig gewordenen Vertragspartner selbst erteilt werden kann (§ 108 Abs. 3 i.V.m. § 1903 Abs. 1 BGB; § 1829 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1908i BGB).[3] Eine Heilung ist aber ausgeschlossen, wenn das Testament, z.B. wegen Verstoßes gegen § 2247 Abs. 4 BGB, wonach ein minderjähriger Erblasser kein eigenhändiges Testament errichten darf, nichtig ist.[4] Für den bloßen Vertragspartner gilt § 2247 Abs. 4 BGB aber nicht.

[1] Staudinger/Kanzleiter, § 2292 Rn 3; a.A. Soergel/Wolf, § 2292 Rn 3, der danach differenziert, ob die Testamente nur äußerlich übereinstimmen oder in beiderseitigem Einverständnis errichtet worden sind; unklar bei MüKo/Musielak, § 2292 Rn 3, der nur auf das Fehlen der Erkennbarkeit des Errichtungszusammenhangs abstellt.
[2] Staudinger/Kanzleiter, § 2292 Rn 6.
[3] Palandt/Weidlich, § 2292 Rn 2; Soergel/Wolf, § 2292 Rn 5; MüKo/Musielak, § 2292 Rn 3; a.A. Erman/S. Kappler/T. Kappler, § 2292 Rn 2.
[4] MüKo/Musielak, § 2292 Rn 4.

II. Inhalt

 

Rz. 3

Durch das gemeinschaftliche Testament kann der gesamte Erbvertrag oder auch nur einzelne Verfügungen – auch eine Erbeinsetzung[5] – aufgehoben bzw. geändert werden.[6] Das gemeinschaftliche Testament kann auch, ohne den Erbvertrag inhaltlich zu ändern, Wechselbezüglichkeit zwischen den vertragsmäßigen Verfügungen und den Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament herstellen;[7] im Falle einer Ergänzung des Erbvertrages durch das gemeinschaftliche Testament bilden beide eine Gesamterbenregelung.[8] Das gemeinschaftliche Testament kann die Aufhebung ausdrücklich vorsehen, die Aufhebung kann aber auch konkludent erfolgen, indem in dem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen werden, die inhaltlich im Widerspruch zum Erbvertrag stehen, § 2292 BGB analog.[9]

[5] RGZ 134, 325, 327.
[6] BayObLG FamRZ 1986, 392.
[7] BayObLG FamRZ 1985, 839, 841.
[9] BGH NJW 1987, 901 = WM 1987, 379.

III. Ehegatten, Lebenspartner

 

Rz. 4

Für die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments gelten die §§ 2229 ff. BGB; berechtigt sind nur Ehegatten, § 2265 BGB und Lebenspartner, § 10 Abs. 4 LPartG. Dagegen kann der Erbvertrag auch von anderen Personen geschlossen werden (vgl. auch die Ausführungen Vor §§ 2274 ff. BGB), so dass nicht gefordert werden kann, dass die Ehegatten bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages miteinander verheiratet waren.[10] Allerdings müssen die Ehegatten Vertragspartner des Erbvertrages gewesen sein, denn seine Aufhebung ist grundsätzlich nur durch die Vertragsschließenden möglich; war ein Ehegatte lediglich Bedachter, ist § 2292 BGB nicht anwendbar, da der Bedachte an der Aufhebung des Erbvertrages nicht mitwirkt.[11]

[10] OLG Frankfurt ErbR 2016, 453.
[11] RGZ 134, 325.

C. Rechtsfolgen

 

Rz. 5

Durch die Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments werden die vertragsmäßigen Verfügungen aufgehoben. Durch den einseitigen Widerruf nach §§ 22...

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