Gesetzestext

 

Einen Erbvertrag kann als Erblasser nur schließen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Für den Erbvertrag als echten Vertrag gelten die allg. Vertragsregeln der §§ 104 ff. BGB. Die Vorschrift setzt für die Errichtung eines Erbvertrages entsprechend unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers voraus. Für Verlobte und Ehegatten galt bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen am 22.7.2017 nach Abs. 2 u. 3 eine Ausnahme; sie konnten beschränkt geschäftsfähig sein und hatten die Möglichkeit, den Ehevertrag mit einem Erbvertrag zu verbinden.[1] Anders als der Erbvertrag geht das Testament von der Testierfähigkeit aus (§§ 2229, 2230, 2233 Abs. 1, 2247 Abs. 4 BGB). Ein wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit nichtiger Erbvertrag kann daher unter den Voraussetzungen des § 140 BGB in ein Testament umgedeutet werden.[2]

[1] MüKo/Musielak, § 2275 Rn 2

B. Tatbestand

I. Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers

 

Rz. 2

Ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger kann einen Erbvertrag nicht schließen. Dies gilt auch dann, wenn der gesetzliche Vertreter zustimmt;[3] eine nachträgliche Heilung, z.B. nach §§ 108 Abs. 3, 182 BGB ist ebenfalls nicht möglich.[4] Der Einwilligungsvorbehalt bei einem betreuten Erblasser erfasst den Erbvertrag nicht, § 1903 Abs. 2 BGB. Nach § 28 BeurkG soll der Notar Wahrnehmungen über die erforderliche Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken. Bei Fehlen der Geschäftsfähigkeit kommt unter den Voraussetzungen des § 140 BGB eine Umdeutung in ein Testament in Betracht.[5]

 

Rz. 3

Im Beschl. v. 18.12.2002[6] hat das BVerfG entschieden, dass "trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit im Übrigen eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein kann". Die Frage, ob aus dieser Entscheidung auch eine partielle Geschäftsfähigkeit für einen Ehegatten-Erbvertrag angenommen werden kann, ist im Hinblick auf die Änderung des § 2275 BGB durch Aufhebung der Abs. 2 und 3 irrelevant geworden. Der Erblasser muss bei Abschluss des Erbvertrags voll geschäftsfähig sein.

[3] Soergel/Wolf, § 2275 Rn 3.
[4] Vgl. Palandt/Weidlich, § 2275 Rn 1.
[5] BayObLG NJW-RR 1996, 7; BayObLG Rpfleger 1986, 286.

II. Vertragsgegner

 

Rz. 4

Der lediglich annehmende Vertragsgegner kann sich vertreten lassen, vgl. § 2274 BGB; als beschränkt Geschäftsfähiger kann er auch alleine handeln, sofern die Annahme für ihn lediglich einen rechtlichen Vorteil darstellen wird, §§ 106, 107 BGB. Geht er dagegen eine Verpflichtung, z.B. in einem anderen Vertrag, ein, so ist zu unterscheiden: Grundsätzlich stehen beide Verträge nebeneinander, so dass nur der Vertrag einer Zustimmung bedarf, durch den sich der beschränkt Geschäftsfähige verpflichtet hat, nicht dagegen der Erbvertrag. Bilden beide Verträge eine Einheit, dann bedarf der Vertrag der Zustimmung;[7] wird der Erbvertrag z.B. mit einem Erbverzichtsvertrag verbunden, ist sogar eine Genehmigung durch das FamG erforderlich, § 2347 Abs. 1 BGB.

[7] MüKo/Musielak, § 2275 Rn 7.

III. Ehegatten und Verlobte

 

Rz. 5

Abs. 2 u. 3 sahen bis zu ihrer Aufhebung durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen am 22.7.2017 für beschränkt geschäftsfähige Ehegatten die Möglichkeit vor, bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einen Erbvertrag zu schließen. Da gleichgeschlechtliche Partner nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 LPartG a.F. volljährig sein mussten, galt für sie die Ausnahme nicht. Vor dem 22.7.2017 unter Bezugnahme auf die Abs. 2 und 3 a.F. geschlossene Erbverträge dürften wirksam sein.[8]

[8] Palandt/Weidlich, § 2275 Rn 3.

C. Rechtsfolgen

 

Rz. 6

Fehlt die Geschäftsfähigkeit, soll der Notar von einer Beurkundung absehen, § 11 Abs. 1 S. 1 BeurkG. Er hat seine Wahrnehmungen über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers in die Urkunde aufzunehmen, § 28 BeurkG. War der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages nicht unbeschränkt geschäftsfähig, ist der Erbvertrag nichtig.[9]

[9] BayObLG Rpfleger 1982, 286.

D. Verfahrensfragen

 

Rz. 7

In Erbrechtsprozessen geht es häufig um die Frage der Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Soll der behandelnde Arzt befragt werden, besteht das Problem der ärztlichen Schweigepflicht. Es ist daher anzuraten, in die Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Entbindungserklärung aufzunehmen. Für die Beweislast gelten die allg. Grundsätze; die fehlende Geschäftsfähigkeit hat derjenige zu beweisen, der sich auf sie beruft.[10] In einem Rechtsstreit ist von der Geschäftsfähigkeit so lange auszugehen, bis der Richter das Gegenteil festgestellt hat;[11] ggf. ist das Gericht jedoch verpflichtet, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen.[12]

 

Rz. 8

Unter Umständen können bereits zu Lebzeiten des Erblassers Feststellungen zu seinem Geisteszustand in einem selbstständigen Beweisverfahren getroffen werden.[13]

 

Rz. 9

Die Feststellungen des Notars über die Geschäftsfähigkeit bzw. Testierfähigkeit, die gem. § 28 BeurkG in notariellen Urkunden aufgenommen werden sollen, bringen zwar nicht den Beweis für die Geschäftsfähigkeit bzw. Testierfähigkeit i.S.d. §§ 415 ff. ZPO, sind aber im Prozess und FamFG-Verfah...

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