Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat das Nachlaßgericht einen Vorbescheid erlassen, obwohl kein Erbscheinsantrag gestellt war, so kann das Rechtsbeschwerdegericht einen dem Vorbescheid entsprechenden Erbscheinsantrag, der erst während des Rechtsbeschwerdeverfahrens gestellt worden ist, berücksichtigen und in der Sache entscheiden.

2. Ist eine in einem zweiseitigen Erbvertrag enthaltene vertragsmäßige Verfügung des Erblassers als erbvertragliche Verfügung unwirksam, weil der Vertragspartner des Erblassers bei Abschluß des Vertrages nicht geschäftsfähig war, so kann sie in eine einseitige Verfügung von Todes wegen umgedeutet und als solche aufrechterhalten werden, wenn ein entsprechender (mutmaßlicher) Wille des Erblassers festgestellt werden kann.

 

Leitsatz (redaktionell)

Daß die Verfügung eines Erblassers, die als erbvertragliche unwirksam ist, kann gemäß § 140 BGB als einseitige letztwillige Verfügung aufrechterhalten werden, wenn sie die durch das Gesetz für diese vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt und die Aufrechterhaltung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht. Dies gilt auch und erst recht dann, wenn der Erbvertrag infolge der Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners des Erblassers unwirksam ist.

 

Normenkette

BGB §§ 140, 2275, 2298; FGG §§ 19, 27 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 22.11.1994; Aktenzeichen 13 T 6505/94)

AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 4251/93)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 330.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser ist im Alter von 82 Jahren in Nürnberg verstorben. Er war verwitwet und kinderlos. Mit seiner am 16.12.1992 vorverstorbenen Ehefrau hatte er im Jahr 1961 einen Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben eingesetzt hatten. Zu notarieller Urkunde vom 5.8.1992 schlossen die Ehegatten als Nachtrag einen weiteren Erbvertrag, in dem sie zunächst die in dem früheren Vertrag getroffenen Verfügungen bestätigten und ergänzend folgendes bestimmten:

II.

Im Wege des Erbvertrages vereinbaren wir … unter gegenseitiger Annahme was folgt …:

1.1 Zum alleinigen und ausschließlichen Erben des Zuletztversterbenden von uns bestimmen wir die … (Beteiligte zu 1). Einen Ersatzerben wollen wir nicht bestimmen.

1.4 Der Überlebende von uns behält sich jedoch das Recht vor, die hier auf Ableben des Zuletztversterbenden von uns getroffenen Verfügungen von Todes wegen nach Ableben des Erstversterbenden von uns jederzeit ganz oder teilweise wieder zu ändern oder aufzuheben, ohne daß dadurch die übrigen Verfügungen von Todes wegen in dieser Urkunde in ihrer Wirksamkeit berührt werden.

Die Abschnitte 1.2 und 1.3 enthalten ein Vermächtnis sowie eine Auflage zur Grabpflege. In Abschnitt II. 2 des Vertrages ist eine im wesentlichen inhaltsgleiche Verfügung für den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Ehegatten getroffen.

Zum Nachlaß gehören ein Grundstück in Nürnberg sowie Bankguthaben.

Die Beteiligte zu 1 ist ein gemeinnütziger Verein. Mit Schreiben vom 7.2.1994 an das Nachlaßgericht hat sie die Erbschaft angenommen und bezüglich des Grundstücks die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter eines Bruders des Erblassers und kommt als gesetzliche Alleinerbin in Betracht. Sie hält den Erbvertrag vom 5.8.1992 und insbesondere die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 für unwirksam, weil die Ehefrau des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses infolge geistigen Verfalls nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Außerdem habe der Erblasser beabsichtigt, sie, die Beteiligte zu 2, zur Alleinerbin einzusetzen. Ein Notartermin sei bereits vereinbart gewesen, zur Beurkundung sei es jedoch infolge des Todes des Erblassers nicht mehr gekommen.

Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 28.6.1994 angekündigt, es werde der Beteiligten zu 1 einen Erbschein erteilen, wonach diese den Erblasser allein beerbt habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 22.11.1994 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. Die Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Sie hat zu notarieller Urkunde vom 13.1.1995 durch einen Bevollmächtigten erklärt, sie beantrage einen Erbschein als Alleinerbin. Diese Erklärung ist dem Nachlaßgericht übersandt worden, eine beglaubigte Kopie wurde zu den Akten gegeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Gehe man von der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau des Erblassers bei Abschluß des Erbvertrages vom 5.8.1992 aus, so sei dieser gültig. Unterstelle man die Geschäftsunfähigkeit, so sei eine Umdeutung in eine ...

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