Rz. 2

§ 2271 BGB regelt nur den einseitigen Widerruf von einzelnen wechselbezüglichen Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments. Beide Ehegatten können gemeinsam das gemeinschaftliche Testament insgesamt nach den allg. Vorschriften der §§ 2254 ff. BGB widerrufen[2] oder auch nur einzelne Verfügungen davon widerrufen.[3] Möglicher Inhalt eines Widerrufs ist auch eine Herabstufung eines Vollerben zum Vorerben, Miterben, Nacherben, Vermächtnisnehmer oder eine nachträgliche Beschwerung, etwa mit Auflagen oder Testamentsvollstreckung.[4] Möglich ist also eine Aufhebung des gesamten Testaments oder nur der Widerruf einzelner Verfügungen durch ein neues gemeinschaftliches Testament und zwar durch ausdrückliche Erklärung (§ 2254 BGB) oder durch widersprechende Verfügungen nach § 2258 Abs. 1 BGB. Dies ist auch dadurch möglich, dass ein Ehegatte dem im Testament enthaltenen Widerruf des anderen Ehegatten im Testament zustimmt.[5] Eine formlose Zustimmung genügt dafür aber nicht.[6] Eine Aufhebung des gesamten Testaments oder einzelner Verfügungen kann auch durch einen Erbvertrag der Ehegatten erfolgen (§ 2289 Abs. 1 S. 1 BGB). Nicht ausreichend ist es dabei aber, wenn ein Ehegatte dem Erbvertrag des anderen Ehegatten mit einem Dritten lediglich formlos zustimmt.[7] Wenn das gemeinschaftliche Ehegattentestament nur Vermächtnisse und Auflagen enthält, kann es auch durch lediglich einseitiges Testament eines der Ehegatten aufgehoben werden. Der andere muss dann seine Zustimmung dazu in notarieller Form erklären. Dies ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 2291 BGB in diesen Fällen.[8] Für das gemeinschaftliche Testament können nämlich keine strengeren Anforderungen gelten wie beim Ehevertrag. Eine Aufhebung des gemeinschaftlichen Testaments kann ferner durch gemeinschaftliche Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung nach § 2256 BGB i.V.m. § 2272 BGB oder nach § 2255 BGB durch Vernichtung/Veränderung der Testamentsurkunde durch einen der Ehegatten mit Zustimmung des anderen erfolgen. Von letzterer Variante ist in der Praxis jedoch abzuraten, solange der gemeinsame Vernichtungswille beider Ehegatten nicht dokumentiert wird. Ansonsten kann es später leicht zu Streitigkeiten kommen, ob ein ehemals existentes, dann aber vernichtetes/verändertes Testament tatsächlich mit dem Willen beider Ehegatten vernichtet/verändert wurde. Alleine aus der Unauffindbarkeit eines Testaments kann nicht auf seine Vernichtung geschlossen werden. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Es besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist.[9]

 

Rz. 3

 

Praxishinweis

Vernichtet ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen Ehegatten das Testament und kann infolgedessen der Inhalt des Testaments nicht mehr festgestellt werden, so stellt sich die Lage de facto mangels Nachweismöglichkeit ebenso dar, wie wenn ein Testament ordnungsgemäß aufgehoben worden wäre.[10] Oder eigentlich genauer, wie wenn es nie existiert hätte. Ist jedoch feststehend, dass ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglicher Schlusserbeneinsetzung vorlag, welches später vernichtet wurde, so trifft die Beweislast/materielle Feststellungslast denjenigen, der Rechte aus der Formunwirksamkeit des Testaments herleitet.[11]

[2] Soergel/Wolf, § 2271 Rn 3; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 2.
[3] MüKo/Musielak, § 2271 Rn 3, 5.
[4] Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2271 Rn 1.
[5] KG DNotZ 1935, 400, 401; MüKo/Musielak, § 2271 Rn 3, 5.
[6] KG DNotZ 1935, 400, 401; OLG Dresden JFG 8, 127, 129; KG v. 24.5.2017 – 6 W 100/16, Rn 27, zit. nach juris = ZErb 2017, 257; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 7.
[7] OLG Kiel SchlHA 1957, 181; MüKo/Musielak, § 2271 Rn 3.
[8] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 7.
[10] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 23.
[11] Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rn 23.

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