Rz. 39

Nach h.M. ist für das Eingreifen der Pflichtteilsklausel ein subjektives Tatbestandsmerkmal erforderlich, nämlich dass der den Pflichtteil verlangende Erbe sich in vorwerfbarer Weise "gegen den Willen des Erblassers aufgelehnt haben muss".[108] Dafür wird in der neueren Rspr. als ausreichend erachtet, dass ein bewusster Verstoß gegen die Klausel vorliegt. Ein solcher soll bereits bei Kenntnis der Pflichtteilsklausel gegeben sein.[109] Ein böswilliges oder gar pietätsloses Verhalten ist daher nicht Voraussetzung für das Eingreifen der Pflichtteilsklausel.[110] Nach Ansicht des OLG Düsseldorf handelt es sich bei dem Erfordernis eines subjektiven Elements nur um eine Auslegungsregel, auf die verzichtet werden kann, wenn das Testament in diesem Sinne ausgelegt werden kann.[111] Weitergehend wird in der Lit. teilweise der völlige Verzicht auf jede subjektive Voraussetzung gefordert.[112] Dies erscheint vor dem Hintergrund des mit der Pflichtteilsklausel bezweckten Schutzes des Längerlebenden und der weiteren loyalen Schlusserben auch konsequent. Der den Pflichtteil Verlangende ist auch dann nicht schutzwürdig, wenn er, was kaum vorstellbar ist, die Pflichtteilsklausel nicht kennen sollte. Denn es ist ihm zuzumuten, sich vom Inhalt der letztwilligen Verfügung Kenntnis zu verschaffen. Auch sonst ist im Übrigen die Geltung einer letztwilligen Verfügung nicht von der Kenntnis dritter Personen abhängig.

[108] Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 14.
[109] OLG München NJW-RR 2008, 1034; OLG München ZEV 2006, 411 m.w.N.; BayObLG NJW-RR 1990, 969; BayObLG NJW-RR 1995, 262, 263; KG FamRZ 1998, 124, 127.
[110] OLG Hamm v. 13.2.2013 – I-15 W 421/12, Rn 3, 4, zit. nach juris = ZErb 2013, 181.
[111] OLG Düsseldorf v. 19.2.2016 – I-3 Wx 34/15, LS 4, zit. nach juris = NJW-RR 2016, 779.
[112] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 84.

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