Gesetzestext

 

Wird die einem Vermächtnisnehmer gebührende Leistung auf Grund der Beschränkung der Haftung des Erben, wegen eines Pflichtteilsanspruchs oder in Gemäßheit des § 2187 gekürzt, so kann der Vermächtnisnehmer, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, die ihm auferlegten Beschwerungen verhältnismäßig kürzen.

A. Allgemeines/Normzweck

 

Rz. 1

§ 2188 BGB ergänzt die Kürzungs- und Leistungsverweigerungsrechte des Hauptvermächtnisnehmers (§§ 2186, 2187 BGB). Bei dieser Norm setzt der Gesetzgeber voraus, dass der Erblasser, der ein Untervermächtnis angeordnet hat, davon ausgeht, dass zwischen diesem und dem Hauptvermächtnis ein gewisses Wertverhältnis bestehen soll.[1] Kommt es daher zu einer Kürzung des Hauptvermächtnisses aufgrund der in § 2188 BGB angesprochenen Vorschriften, soll die auferlegte Beschwerung verhältnismäßig zu kürzen sein, wenn sich aus dem Willen des Erblassers nichts anderes ergibt.

[1] MüKo/Rudy, § 2188 Rn 1.

B. Tatbestand

 

Rz. 2

Die Kürzung des Vermächtnisses muss aufgrund der Beschränkung der Haftung des Erben unter Beachtung der §§ 19901992 BGB, § 327 InsO erfolgen. Des Weiteren kann sich das verhältnismäßige Kürzungsrecht daraus ergeben, dass das Hauptvermächtnis wegen eines Pflichtteilsanspruchs (§§ 2318, 23222324 BGB) oder nach § 2187 BGB gekürzt wird.[2]

Wird das beschwerte Vermächtnis nach §§ 2157, 2090 BGB gekürzt, ist § 2188 BGB entsprechend anzuwenden.[3]

[2] MüKo/Rudy, § 2188 Rn 2.
[3] MüKo/Rudy, § 2188 Rn 2; NK-BGB/Horn/J. Mayer, § 2188 Rn 2; Staudinger/Otte, § 2188 Rn 3; Lutz, notar 2014, 347–350.

C. Rechtsfolgen

 

Rz. 3

Kommt es zu einer Kürzung bei dem Anspruch des Hauptvermächtnisnehmers, kann er die ihm auferlegten Beschwerungen, das Untervermächtnis oder die Auflage verhältnismäßig kürzen, sofern dem nicht ein anderer Wille des Erblassers entgegensteht.[4] Erhält der Hauptvermächtnisnehmer nichts, wozu es i.d.R. bei der Nachlassinsolvenz kommt, entfällt die Beschwerung in ihrer Gesamtheit.

 

Beispiel

Das teilbare Hauptvermächtnis hat einen Wert von 50.000 EUR. Im Rahmen der Nachlassinsolvenz erhält der Hauptvermächtnisnehmer 40.000 EUR.

Lösung

Das Hauptvermächtnis wurde um 20 % gekürzt. Das Untervermächtnis ist daher entsprechend zu kürzen. Der Vermächtnisnehmer kann es somit um 20 % oder 8.000 EUR kürzen, sodass er noch 32.000 EUR an den Untervermächtnisnehmer zu leisten hat.

 

Rz. 4

Problematisch sind die Fälle, in denen das Untervermächtnis in einer unteilbaren Leistung besteht. Hier ist der Vermächtnisnehmer lediglich zur Zahlung in Höhe des entsprechend gekürzten Wertes verpflichtet, sofern der mit dem Untervermächtnis Bedachte die Kürzung nicht vergüten will.[5] Ein anderer Wille des Erblassers kann sich möglicherweise daraus ergeben, dass er gerade einen nicht teilbaren Gegenstand i.R.d. Untervermächtnisses zuwendet.[6]

 

Beispiel

Das unteilbare Hauptvermächtnis hat einen Wert von 50.000 EUR. Im Rahmen der Nachlassinsolvenz erhält der Hauptvermächtnisnehmer 40.000 EUR.

Lösung

Das Hauptvermächtnis wurde um 20 % gekürzt. Der Untervermächtnisnehmer kann daher die unteilbare Leistung durch den Hauptvermächtnisnehmer nur gegen eine Zahlung von 8.000 EUR verlangen. Ist der Untervermächtnisnehmer nicht bereit, diesen Betrag zu zahlen, kann der Hauptvermächtnisnehmer sich von seiner Leistungspflicht durch die Zahlung von 32.000 EUR befreien.

[4] Staudinger/Otte, § 2188 Rn 3.
[5] BGH v. 21.12.1955 – IV ZR 105/55, BGHZ 19, 309–315.
[6] MüKo/Rudy, § 2188 Rn 3.

D. Verfahrensfragen und Prozesstaktik

I. Einrede

 

Rz. 5

Mit der Kürzung des Untervermächtnisses bzw. der Auflage tritt nicht automatisch eine Kürzung des Hauptvermächtnisses ein. Sie ist vom Hauptvermächtnisnehmer im Rahmen einer Einrede geltend zu machen.[7] Die Möglichkeit der Einrede im Vollstreckungsverfahren wie bei § 2187 BGB ist nicht möglich. Die Einrede muss bereits im Erkenntnisverfahren erhoben werden (spätestens im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung).

[7] Staudinger/Otte, § 2188 Rn 4.

II. Beweislast

 

Rz. 6

Nach der Vorschrift wird vermutet, dass der Erblasser von einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Hauptvermächtnis und dessen Beschwerung ausgegangen ist. Der mit einem Untervermächtnis Bedachte hat daher zu beweisen, dass der Hauptvermächtnisnehmer nicht zu einer verhältnismäßigen Kürzung berechtigt sein soll, wenn durch eine Beschränkung der Erbenhaftung wegen eines Pflichtteilsanspruchs oder durch die Regelung in § 2187 BGB sich die Relationen zwischen Hauptvermächtnis und Beschwerung verschieben.

 

Rz. 7

Das Kürzungsrecht des Hauptvermächtnisnehmers stellt ein Leistungsverweigerungsrecht dar.[8] Von daher hat er im Streitfall die ihm bereits entstandenen bzw. noch zu erwartenden Kürzungen darzulegen und zu beweisen.[9]

[8] BGH v. 17.12.1964 – III ZR 8/63, MDR 1965, 274.
[9] MüKo/Rudy, § 2188 Rn 4.

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