Rz. 6

Als Folge der Ausschlagung wird nach Abs. 2 der Vorerbe zum Vollerben, soweit der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. Wird die Ausschlagung erst nach Eintritt des Nacherbfalls erklärt, stellt sie das bereits weggefallene Erbrecht des Vorerben, § 2139 BGB, rückwirkend wieder her.[17] Die Erbschaft verbleibt den Erben des Vorerben, wenn dessen Tod den Nacherbfall herbeigeführt hat. Sind mehrere Nacherben vorhanden und schlagen nicht alle aus, geht allerdings das Anwachsungsrecht der Mitnacherben, § 2094 BGB, dem Vorerbenrecht nach Abs. 2 vor,[18] sofern der Erblasser die Anwachsung nicht ausgeschlossen hat, § 2094 Abs. 3 BGB.

 

Rz. 7

Ob die Erbschaft dem Vorerben verbleiben soll, ist nach allg. Regeln durch Auslegung des Erblasserwillens zu ermitteln. Eine anderweitige Bestimmung des Erblassers liegt insbesondere in der Berufung eines Ersatznacherben, § 2096 BGB, auch in der stillschweigenden Berufung der Abkömmlinge eines weggefallenen Abkömmlings des Erblassers gem. § 2069 BGB.[19] Berufen sind insoweit die zum Zeitpunkt des Nacherbfalls und nicht der Ausschlagung lebenden oder erzeugten Abkömmlinge.[20] Schlägt ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe aus, um den Pflichtteil zu verlangen, so entspricht es jedoch i.d.R. nicht dem Willen des Erblassers, dass die Erbschaft den Abkömmlingen des Nacherben zufallen soll, denn dadurch würde der Stamm des weggefallenen Abkömmlings bevorzugt.[21] Dies gilt nicht nur im Anwendungsbereich des § 2069 BGB, sondern auch, wenn der Erblasser Abkömmlinge seiner Kinder ausdrücklich zu Ersatznacherben bestimmt hat.[22] Im Einzelfall kann aber trotz eines Pflichtteilsverlangens von einer Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge auszugehen sein, wenn bspw. nach dem Willen des Erblassers ein Hausgrundstück in der Familie bleiben und nicht in diejenige des Vorerben gelangen soll,[23] oder wenn der Erblasser seinen Ehegatten zum Vorerben bestimmt und nach ihm das einzige gemeinsame Kind zum Nacherben berufen hat.[24] Im Fall des § 2104 BGB rücken bei Ausschlagung der zunächst Berufenen die entfernteren gesetzlichen Erben nach – mit Ausnahme des Fiskus, § 2104 S. 2 BGB.

 

Rz. 8

Abs. 2 gilt nicht, wenn der Nacherbe aus anderen Gründen als der Ausschlagung wegfällt, etwa durch Tod vor dem Nacherbfall, § 2108 Abs. 1 BGB, durch Erbverzicht, § 2352 BGB, oder durch Erbunwürdigkeitserklärung, §§ 2340 Abs. 2 S. 2, 2344 BGB, so dass kein vermuteter Wille zugunsten des Nacherben spricht.[25] Hier ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, wem die Erbschaft anfallen sollte.

 

Rz. 9

Statt durch Ausschlagung kann der Nacherbe den Vorerben auch dadurch zum unbeschränkten Erben machen, dass er dem Vorerben seine Anwartschaft überträgt. Ein Verzicht auf das Nacherbrecht ist nicht möglich, jedoch regelmäßig gem. § 140 BGB in eine Übertragung der Anwartschaft umzudeuten.[26]

[17] Staudinger/Avenarius, § 2142 Rn 6; MüKo/Grunsky, § 2142 Rn 4.
[18] RG Recht 1916 Nr. 488; BayObLGZ 1962, 239, 246 = FamRZ 1962, 538.
[19] RG WarnR 1913 Nr. 241; KGJ 31, 124, 128.
[20] KG JW 1929, 1751.
[21] BGHZ 33, 60, 62 = NJW 1960, 1899; BayObLG NJW-RR 2000, 1391; BayObLGZ 1962, 239, 243 = FamRZ 1962, 538; KG DNotZ 1941, 424; KG DNotZ 1942, 147; OLG Düsseldorf NJW 1956, 1880.
[22] OLG Frankfurt OLGZ 71, 208.
[23] OLG Zweibrücken OLGZ 1984, 3, 6–9.
[24] Staudinger/Avenarius, § 2142 Rn 11.
[25] MüKo/Grunsky, § 2142 Rn 4; a.A. RGRK/Johannsen, § 2142 Rn 7; Staudinger/Avenarius, § 2142 Rn 12; Soergel/Harder-Wegmann, § 2142 Rn 5.
[26] RG DNotZ 1942, 145.

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