Gesetzestext

 

Der Nacherbe ist berechtigt, von dem Vorerben Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt.

A. Normzweck

 

Rz. 1

Die §§ 21272129 BGB geben dem Nacherben vorbeugende Kontroll- und Sicherungsmittel im Hinblick auf seinen Anspruch aus § 2130 BGB. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls hat er keinen Schadensersatzanspruch gegen den Vorerben wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.[1] Erste Stufe dieser außerordentlichen Rechte ist der Auskunftsanspruch gem. § 2127 BGB, mittels dessen sich der Nacherbe die Beweismittel zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach Eintritt des Nacherbfalls sowie Klarheit darüber verschaffen kann, ob Anlass besteht, Sicherheitsleistung gemäß § 2128 BGB zu verlangen und als letzten Notbehelf die Entziehung der Verwaltung gemäß § 2129 BGB zu beantragen.[2] Die Vorschrift enthält keine abschließende Regelung der Auskunftsrechte des Nacherben (siehe auch § 2119 Rdn 3);[3] daneben verbleiben stets und ohne besondere Voraussetzungen die Rechte aus §§ 2121 und 2122 BGB.

Der Vorerbe kann von der Pflicht zur Auskunftserteilung befreit werden, § 2136 BGB.

[1] RG WarnR 1937, Nr. 133.
[2] Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 2 f.; Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 1.
[3] LG Berlin ZEV 2002, 160 m. Anm. Krug.

B. Gefährdung der Nacherbenrechte

 

Rz. 2

Der Auskunftsanspruch setzt voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, die Rechte des Nacherben würden durch die Verwaltung des Vorerben erheblich verletzt. Das Recht, dessen Gefährdung dargetan werden muss, ist der künftige Herausgabeanspruch des Nacherben aus § 2130 BGB.[4] Eine tatsächliche Verletzung ist nicht erforderlich,[5] die Vermutung einer bevorstehenden Verletzung genügt, allerdings nicht der "bloße Verdacht".[6] Die Besorgnis muss also durch objektive Anhaltspunkte untermauert sein. Anders als bei § 2128 BGB reicht eine ungünstige Vermögenslage des Vorerben allein noch nicht aus, um den Anspruch auszulösen.[7] "Erheblich" ist eine Rechtsverletzung dann, wenn sie sich auf nicht unwesentliche Bestandteile des Nachlasses bezieht.[8] Ausgeschlossen wird die Möglichkeit der Rechtsverletzung nicht dadurch, dass der Vorerbe in der Lage ist, aus seinem Vermögen Ersatz zu leisten.[9] Ein Verschulden des Vorerben ist nicht erforderlich, die Verwaltung des Vorerben muss lediglich objektiv rechtsverletzend sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der Vorerbe der Verwaltungsmaßnahme gem. § 2120 BGB zustimmen müsste.[10]

 

Rz. 3

Eine erhebliche Verletzung der Nacherbenrechte liegt insbesondere in der eigenmächtigen Vornahme von Verfügungen, die nach § 2113 BGB im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam wären, oder im Verstoß gegen die Wertpapier- und Geldanlagebestimmungen der §§ 21162119 BGB.[11] Entgegen der Auffassung des BayObLG[12] ist auch die Errichtung eines unvollständigen Inventars geeignet, die Besorgnis einer Rechtsverletzung zu begründen.[13] Selbst wenn man die Inventarerrichtung mit dem BayObLG noch nicht als Verwaltungsmaßnahme ansieht,[14] würde bei bewusst unrichtiger Errichtung Grund zu der Annahme bestehen, dass der Vorerbe in Zukunft durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben verletzen werde.[15]

[4] RGRK/Johannsen, § 2127 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2127 Rn 1; Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 4.
[5] MüKo/Grunsky, § 2127 Rn 3; Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 2.
[6] Vgl. hierzu Sarres, ZEV 2004, 56, 57.
[7] Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 3.
[8] Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 2; Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 5.
[9] Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 5; MüKo/Grunsky, § 2127 Rn 3.
[10] RGZ 149, 65, 68.
[11] Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 7.
[12] BayObLG Recht 1903 Nr. 2379.
[13] Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 3.
[14] So aber Staudinger/Avenarius, § 2127 Rn 7.
[15] Soergel/Harder-Wegmann, § 2127 Rn 3.

C. Inhalt und Geltendmachung des Auskunftsanspruchs

 

Rz. 4

Auskunft kann nur über den gegenwärtigen Bestand des Nachlasses[16] verlangt werden, nicht jedoch über den zwischenzeitlichen Verbleib von Nachlassgegenständen.[17] Rechenschaftslegung wird nicht geschuldet.[18] Die §§ 260, 261 BGB finden Anwendung.[19] Hat der Vorerbe bereits nach § 2121 BGB ein Bestandsverzeichnis vorgelegt, kann der Nacherbe lediglich dessen Ergänzung verlangen.[20]

 

Rz. 5

Bei mehreren Nacherben kann jeder von ihnen das Auskunftsrecht selbstständig geltend machen, auch gegen den Willen der Miterben.[21] Der Ersatznacherbe hat kein Auskunftsrecht.[22] Ist ein Nacherbentestamentsvollstrecker gem. § 2222 BGB bestellt, wird das Auskunftsrecht von diesem wahrgenommen. Zeitlich besteht der Anspruch nur bis zum Nacherbfall, danach hat der Nacherbe das Recht aus § 2130 Abs. 2 BGB. Der Auskunftsanspruch kann wiederholt geltend gemacht werden, sobald ein neuer Grund hierfür gegeben ist.[23]

 

Rz. 6

Der Auskunftsanspruch ist notfalls im Klageweg geltend zu machen. Dabei muss der Nacherbe nach allg. Grundsätzen die tatsächlichen Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs darlegen und beweisen. Da eine tatsächliche Rechtsverletzung nicht erforderlich ist, genügt jedoch ...

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