Gesetzestext

 

1Gehört zur Erbschaft eine Hypothekenforderung, eine Grundschuld, eine Rentenschuld oder eine Schiffshypothekenforderung, so steht die Kündigung und die Einziehung dem Vorerben zu. 2Der Vorerbe kann jedoch nur verlangen, dass das Kapital an ihn nach Beibringung der Einwilligung des Nacherben gezahlt oder dass es für ihn und den Nacherben hinterlegt wird. 3Auf andere Verfügungen über die Hypothekenforderung, die Grundschuld, die Rentenschuld oder die Schiffshypothekenforderung findet die Vorschrift des § 2113 Anwendung.

A. Einziehungsrecht des Vorerben

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist lex specialis zu § 2113 Abs. 1 BGB, der, wie sich aus S. 3 ergibt, grundsätzlich auch für Verfügungen über Hypothekenforderungen, Grund- und Rentenschulden sowie Schiffshypothekenforderungen gilt. Im Interesse der Nachlassverwaltung kann der Vorerbe die Rechte nach S. 1 ohne Mitwirkung des Vorerben wirksam kündigen und einziehen, und zwar sowohl gegenüber dem dinglichen als auch gegenüber dem persönlichen Schuldner.[1] Entsprechendes gilt gem. § 98 Abs. 2 LuftFzgG für Registerpfandrechte an Luftfahrzeugen. Der Vorerbe kann die Kündigung nicht nur selbst wirksam erklären, sondern auch die vom dinglichen oder persönlichen Schuldner ihm gegenüber erklärte Kündigung wirksam entgegennehmen.[2]

 

Rz. 2

Unter das Einziehungsrecht des Vorerben fallen alle Rechtshandlungen, die zur Durchsetzung des Anspruchs erforderlich sind, also auch die prozessuale Geltendmachung durch Zahlungsklage oder Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung und die Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung – einschließlich des Antrags auf Zwangsversteigerung.[3] Die Kündigung und Einziehung sind dem Nacherben gegenüber auch dann wirksam, wenn sie ordnungsgemäßer Verwaltung nicht entsprechen, der Vorerbe kann sich ggf. jedoch gem. § 2131 BGB schadensersatzpflichtig machen.[4]

[1] Soergel/Harder-Wegmann, Rn 1; MüKo/Grunsky, § 2114 Rn 1.
[2] Vgl. nur Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 6.
[3] RGZ 136, 353, 358.
[4] MüKo/Grunsky, § 2114 Rn 2; Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 5.

B. Beschränkte Empfangszuständigkeit

 

Rz. 3

Das Einziehungsrecht ist nach S. 2 zum Schutz des zahlenden Schuldners und des Nacherben allerdings insoweit beschränkt, als der Vorerbe Zahlung des Kapitals an sich selbst nur gegen Nachweis der Einwilligung des Nacherben, ansonsten lediglich Hinterlegung für sich und den Nacherben verlangen kann; die Einwilligung ist hierbei formlos wirksam. Soweit sie dem Zahlenden die Löschung oder Umschreibung des Rechtes im Grundbuch ermöglichen soll, bedarf sie gem. § 29 GBO der öffentlichen Beglaubigung. Diese Einschränkung gilt nur für die Hauptschuld; Nebenforderungen wie z.B. rückständige Zinsen kann der Vorerbe unbeschränkt einziehen, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Vorerben als Nutzungen gebühren.[5] Der Vorerbe steht aufgrund seiner beschränkten Empfangszuständigkeit nach S. 2 einem Nichtberechtigten i.S.v. § 362 Abs. 2 BGB gleich.[6] Vom Schuldner ohne Einwilligung des Nacherben an den Vorerben allein geleistete Zahlungen sind daher unwirksam und haben keine befreiende Wirkung.[7] Es kommt allerdings eine Empfangszuständigkeit kraft Rechtsscheins in Betracht, wenn im Grundbuch oder im Schiffsregister bei der Hypothek der Nacherbenvermerk fehlt (§ 893 BGB, § 17 SchiffsRG).[8] S. 2 findet im Übrigen auch dann Anwendung, wenn der Schuldner freiwillig zahlt.[9] Von der Beschränkung des S. 2 kann der Vorerbe befreit werden (§ 2136 BGB).

 

Rz. 4

Sind mehrere Nacherben oder Nachnacherben vorhanden, müssen alle zustimmen; Ersatznacherben jedoch nicht.[10] Ist eine Zahlung ohne vorherige Zustimmung des Nacherben erfolgt, kann dieser sie entsprechend §§ 362, 185 Abs. 2 BGB genehmigen.[11] Unter den Voraussetzungen des § 2120 BGB ist der Nacherbe zur Erteilung der Einwilligung verpflichtet.

[5] Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 3; MüKo/Grunsky, § 2114 Rn 3.
[6] Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 8; Soergel/Harder-Wegmann, § 2114 Rn 2.
[7] RG Recht 1919 Nr. 446; RG DJZ 1928, 1329; BGH FamRZ 1970, 192.
[8] Dazu Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 11.
[9] RG DJZ 1928, 1329; BGH FamRZ 1970, 192.
[10] Vgl. Soergel/Harder-Wegmann, § 2114 Rn 3.
[11] Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 12; MüKo/Grunsky, § 2114 Rn 4.

C. Hinterlegung

 

Rz. 5

Die Einzelheiten der Hinterlegung bestimmen sich nach den §§ 372 ff. BGB und den Landeshinterlegungsgesetzen. Über den hinterlegten Betrag können Vorerbe und Nacherbe nur gemeinschaftlich verfügen. Ist ohne Einwilligung des Nacherben an den Vorerben gezahlt worden, hat dieser entsprechend § 2114 BGB den Betrag alsbald für sich und den Nacherben zu hinterlegen. Bei Zuwiderhandlung kann der Nacherbe Sicherheitsleistung gem. § 2128 BGB verlangen.[12] Auch der nur auf einen Bruchteil eingesetzte Nacherbe kann Hinterlegung des gesamten Hypothekenbetrages verlangen; dieses Verlangen kann allerdings missbräuchlich sein, wenn und soweit der Wert des Erbteils des Nacherben den Hypothekenbetrag nicht erreicht.[13]

[12] RG LZ 1919, 252.
[13] Staudinger/Avenarius, § 2114 Rn 15; Soergel/Harder-Wegmann, § 2114 Rn 3.

D. Andere Verfügungen

 

Rz. 6

Für andere Verfügungen über die in S. 1 genannten Re...

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