Gesetzestext

 

(1)Die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück oder über ein zur Erbschaft gehörendes eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde.

(2)1Das Gleiche gilt von der Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zwecke der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt. 2Ausgenommen sind Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird.

(3)Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

A. Normzweck

 

Rz. 1

§ 2113 BGB enthält für einige als besonders schwerwiegend angesehene, die Nacherbenrechte regelmäßig erheblich gefährdende Verfügungen Ausnahmen von dem in § 2112 BGB statuierten Grundsatz der Verfügungsfreiheit des Vorerben. Diese Ausnahmen sind abschließend formuliert; eine ausdehnende Anwendung der Vorschrift auf andere, das Nacherbenrecht in wirtschaftlich gleicher Weise oder gar stärker beeinträchtigende Verfügungen kommt nicht in Betracht.[1] Entgegen verbreiteter Meinung[2] findet die Vorschrift auch auf Verfügungen des Vorerbentestamentsvollstreckers Anwendung, denn die dem Vorerben im Interesse des Nacherben auferlegten Verfügungsbeschränkungen werden durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nicht hinfällig.[3] Die Beschränkungen entfallen jedoch, wenn der Testamentsvollstrecker für Vor- und Nacherben eingesetzt ist.[4]

[1] Staudinger/Avenarius, § 2113 Rn 2; Soergel/Harder-Wegmann, § 2113 Rn 1.
[2] RG JW 1938, 1454; KG OLGE 34, 298; OLG Neustadt NJW 1956, 1881; Soergel/Damrau, § 2205 Rn 58.
[3] Soergel/Harder-Wegmann, § 2113 Rn 1; Staudinger/Avenarius, § 2113 Rn 7; MüKo/Zimmermann, § 2222 Rn 9; Staudinger/Reimann, § 2205 Rn 157.
[4] BGHZ 40, 115, 119 = NJW 1963, 2320.

B. Verfügungen über Grundstücksrechte

I. Begriff und Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Gem. Abs. 1 kann der Vorerbe nicht wirksam über nachlasszugehörige Grundstücke und Grundstücksrechte verfügen, soweit er damit das Nacherbenrecht beeinträchtigt. Zu den Grundstücksrechten zählen alle in das Grundbuch einzutragenden dinglichen Rechte, insbesondere Hypotheken, Grund- und Rentenschulden. Den Grundstücken stehen Erbbaurechte (§ 11 ErbbauRG) und das Sondereigentum gem. § 1 WEG gleich. Ferner gelten die Verfügungsbeschränkungen seit dem 1.1.1941 für eingetragene Schiffe, Schiffsbauwerke und – obwohl die Vorschrift diese nicht ausdrücklich nennt, wie sich aber aus § 2114 S. 3 BGB ergibt – Schiffshypotheken.[5] Keine Rolle spielt es, ob die genannten Gegenstände und Rechte bereits im Erbfall zum Nachlass gehörten oder erst später hinzugekommen sind; die Verfügungsbeschränkungen erstrecken sich ohne weiteres auch auf Surrogate.[6] Umgekehrt setzt sich eine für den ursprünglichen Gegenstand bestehende Verfügungsbeschränkung nicht am Surrogat fort; der Vorerbe kann somit über den Kaufpreis für ein Nachlassgrundstück frei verfügen, auch wenn er für die Verfügung über das Grundstück auf die Zustimmung des Nacherben angewiesen war.[7]

 

Rz. 3

Der Begriff der Verfügung ist rechtstechnisch (§ 185 BGB) zu verstehen, bedeutet also jede dingliche Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung und Aufgabe des Rechts.[8] Die zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte werden nicht von § 2113 Abs. 1 BGB erfasst, sind also ohne Zustimmung des Nacherben wirksam.[9] Zu den Verfügungen zählen insbesondere die Eigentumsübertragung durch Auflassung und die Belastung eines Grundstücks, ferner die Bewilligung einer Vormerkung,[10] die Bestellung eines Erbbaurechtes,[11] der Rangrücktritt[12] oder die Erklärung des Berechtigten gem. § 915 Abs. 1 BGB.[13] Entsprechende Anwendung findet Abs. 1 auf die Übernahme einer öffentlich-rechtlichen Baulast durch den Vorerben.[14] Nicht anwendbar ist Abs. 1 auf die Teilungsversteigerung eines Nachlassgrundstücks nach §§ 180 ff. ZVG, denn die Grundstücksübertragung beruht hier nicht auf einer Verfügung des Vorerben.[15] Nicht zu den Verfügungen rechnet, da rein schuldrechtlich, die langfristige Verleihung eines Nachlassgrundstücks.[16]

[5] Staudinger/Avenarius, § 2113 Rn 49.
[6] MüKo/Grunsky, § 2113 Rn 7.
[7] MüKo/Grunsky, § 2111 Rn 3.
[8] Vgl. Soergel/Harder-Wegmann, § 2113 Rn 2.
[9] BGHZ 52, 269 = NJW 1969, 2043.
[10] Staudinger/Avenarius, § 2113 Rn 51; a.A. Erman/Schmidt, § 2113 Rn 9.
[11] BGHZ 52, 269 = NJW 1969, 2043.
[12] LG Frankenthal MDR 1976, 666.
[13] KG MDR 1974, 583.
[14] VGH Mannheim NJW 1990, 268.
[15] BayObLG MDR 1965, 749; OLG Celle NJW 1968, 801, 802; OLG Hamm NJW 1969, 516.
[16] BGH ZEV 2016, 267 m. krit. Anm. Kuhn, ZEV 2016, 609; Küpper, ZEV 2017, 60; Ruby/Schindler, ZEV 2016, 378, 379.

II. Grundstücke im Gesamthandsvermögen

1. Verfügung über Grundstück im Gesamthandsvermögen

 

Rz. 4

Kein Fall des Abs. 1 BGB liegt vor, wenn zum Nachlass Gesamthandsanteile an BGB-Gesellschaft, OHG oder KG gehören und die Gesamthand über zum Gesamthandsvermögen gehörende Grundstücke verfügt.[17] Gegenstand der Nacherbfolge ist in diesem Fall nur der Gesamthan...

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