Gesetzestext

 

Ist jeder der eingesetzten Erben auf einen Bruchteil der Erbschaft eingesetzt und übersteigen die Bruchteile das Ganze, so tritt eine verhältnismäßige Minderung der Bruchteile ein.

A. Tatbestand

 

Rz. 1

Die Vorschrift, die quasi das Gegenstück zu § 2089 BGB darstellt, soll verhindern, dass widersprüchliche Anordnungen des Erblassers das Testament unwirksam machen. Dies ergibt sich bereits aus den §§ 140, 2084 BGB. Die Vorschrift gilt gem. § 2157 BGB entsprechend für das Vermächtnis. § 2090 BGB greift nur dann ein, wenn kein entgegenstehender Wille des Erblassers anzunehmen ist und kein Irrtum des Erblassers vorliegt. Ein entgegenstehender Wille des Erblassers ist dann anzunehmen, wenn die Anordnungen des Erblassers in mehreren Testamenten enthalten sind, wobei dann davon auszugehen ist, dass der Erblasser gem. § 2058 BGB durch das spätere Testament das frühere insoweit widerrufen wollte als dies erforderlich war, um den im späteren Testament eingesetzten Erben die vollen Erbteile zu verschaffen (anders, wenn bspw. einem nachgeborenen Kind der gleiche Anteil zugedacht wird wie seinen Geschwistern: "Ruth erhält den gleichen Anteil wie Max, Anna und Carl.").[1] Ein entgegenstehender Wille ist auch anzunehmen, wenn die in einem einzigen umfangreichen Testament zugewandten Bruchteile das Ganze zwar übersteigen, in den späteren Anordnungen desselben Testaments aber der Wille des Erblassers erkennbar ist, die vorangehenden Anordnungen zu berichtigen.[2]

 

Rz. 2

Ein Irrtum des Erblassers mit der Folge der Anfechtungsmöglichkeit gem. § 2078 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn der Erblasser einen der Erben irrtümlich mit einem höheren Bruchteil als eigentlich gewollt bedacht hat.[3] Wird die Verfügung von Todes wegen tatsächlich angefochten, so scheidet die Anwendung des § 2090 BGB aus. Findet eine Anfechtung demgegenüber nicht statt, so verbleibt es bei den Rechtsfolgen des § 2090 BGB.[4] § 2090 BGB ist auch nur dann anzuwenden, wenn tatsächlich alle Erben auf Bruchteile eingesetzt sind. Hat der Erblasser nämlich die Bruchteile nur teilweise bestimmt und im Übrigen offengelassen, so gilt § 2092 Abs. 2 BGB und nicht § 2090 BGB.[5]

[1] MüKo/Rudy, § 2090 Rn 2; Lange/Kuchinke, § 27 V 3 b.
[2] Staudinger/Otte, § 2090 Rn 1.
[3] Staudinger/Otte, § 2090 Rn 3; MüKo/Rudy, § 2090 Rn 2.
[4] Staudinger/Otte, § 2090 Rn 3.
[5] Lange, Erbrecht, Kap. 9 Rn 63; BeckOK BGB/Litzenburger, 50. Ed. 1.5.2019, § 2090 Rn 1.

B. Rechtsfolgen

 

Rz. 3

Nach § 2090 BGB erfolgt eine verhältnismäßige Minderung der den eingesetzten Erben zugewandten Bruchteile. Die Minderung erfolgt dergestalt, dass die vom Erblasser bestimmten Bruchteile zunächst auf den gleichen Nenner gebracht und dann die Zähler addiert werden. Hierdurch erhält man den neuen Nenner.

 

Beispiel

A wurde zu ⅔, B und C zu je ¼ zu Erben eingesetzt. Der gemeinschaftliche Nenner ist 12, so dass das Verhältnis 8/12 zu 3/12 zu 3/12, also 8:3:3 beträgt. Die Addition dieser Zähler ergibt als neuen Nenner 14, so dass im Ergebnis die Erbquote von A 8/14 (4/7) beträgt, die von B und C je 3/14.

 

Rz. 4

Ergibt die Auslegung des Testaments allerdings, dass der Erblasser einzelnen Erben den ihnen zugewandten Erbteil endgültig und ungeschmälert zukommen lassen wollte, so erfolgt die verhältnismäßige Minderung nur unter den übrigen Erben.[6]

[6] BeckOK BGB/Litzenburger, 50. Ed. 1.5.2019, § 2090 Rn 2.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge