Rz. 1

Das Fünfte Buch des BGB enthält eine Reihe von Spezialvorschriften für die Anfechtung von Verfügungen von Todes wegen. Diese gehen den Regelungen des Allgemeinen Teils zum einen vor, zum anderen unterscheidet sich die Anfechtung nach den allg. Vorschriften von der Anfechtung von Testamenten. Gem. §§ 119 ff. BGB kann der Erklärende die von ihm abgegebene Willenserklärung anfechten, wenn sie nicht seinem Willen entsprochen hat. Der Erklärende wird somit vor seinen eigenen Fehlern geschützt. Im Falle einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung erfolgt ein Schutz des Erklärenden vor der Beeinträchtigung durch Dritte. Die Anfechtung beseitigt die Wirkung der abgegebenen Erklärung, so dass der Erklärende in die Lage versetzt wird, neue Rechtsgeschäfte abzuschließen. Die Anfechtungsregeln der §§ 119 ff. BGB schützen somit die individuelle Willensfreiheit, d.h. sie schützen die Interessen des Erklärenden vor seiner eigenen Willenserklärung.

 

Rz. 2

Während bei der Anfechtung nach den allg. Bestimmungen der Erklärende selbst die Anfechtung erklärt, wird die Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen nicht vom Erblasser selbst erklärt. Er kann sich daher von seiner eigenen Erklärung nicht mehr distanzieren, um dann von seiner Gestaltungsfreiheit erneut Gebrauch zu machen. Sinn und Zweck der Anfechtung von Testamenten ist, dass dritte Personen solche Erklärungen des Erblassers, die sie selbst betreffen, nicht gegen sich gelten lassen müssen. Es geht bei der Testamentsanfechtung nicht um die Bindungswirkung gegenüber demjenigen, der die Erklärung abgibt, sondern um die Bindungswirkung gegenüber Dritten. Die Testamentsanfechtung schützt somit grds. die Interessen des Anfechtungsberechtigten vor einer fehlerhaften Erklärung des Erblassers.[1]

 

Rz. 3

Der Schutzzweck der Testamentsanfechtung ergibt sich vor allem aus der Regelung des § 2080 Abs. 1 BGB, wonach der zur Anfechtung berechtigt ist, dem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustattenkommen würde. Sind bzgl. des Anfechtungsgrundes nur bestimmte Personen betroffen, so sind nur diese gem. § 2080 Abs. 2 u. 3 BGB anfechtungsberechtigt. Sowohl in einem gesetzlichen Erbrecht als auch in dem Anrecht auf eine Zuwendung, die in einer anderen fehlerfreien Verfügung enthalten ist, kann das geschützte Interesse bestehen. Grundsätzlich gelten die Verfügungen des Erblassers ohne inhaltliche Überprüfung aufgrund des bestehenden Vertrauens in die privatautonome Entscheidung.

 

Rz. 4

Der Erblasser ist grundsätzlich frei in seinem Willen, und dieser Willensfreiheit ist der Anfechtungsberechtigte auch unterworfen, jedoch muss die letztwillige Verfügung dem Willen des Erblassers entsprechen. Wenn das Testament jedoch nicht diesem Willen entspricht oder die Willensbildung des Erblassers auf Fehlvorstellungen beruht, so kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass es seinem Inhalt nach gerechtfertigt ist. Die Anfechtung dient daher mittelbar auch dem Schutz der Willensfreiheit des Testierenden.[2] Hingegen verfolgt die Anfechtung nicht das Ziel, den wahren Willen des Erblassers zu verwirklichen. Dies ist Ziel der Auslegung. Die Anfechtung vernichtet die Verfügung von Todes wegen, die nicht dem wirklichen Willen des Erblassers entspricht.[3] Durch die Anfechtung wird jedoch nicht diejenige Rechtslage herbeigeführt, die dem wirklichen Willen des Erblassers entsprochen hätte.[4]

 

Rz. 5

Die Anfechtung birgt auch erhebliche Gefahren, nämlich ob der Erblasserwille tatsächlich verwirklicht wird. Ob daher ein Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtum vorliegt, ist im Interesse des Erblassers an strenge Anforderungen zu knüpfen.

[1] MüKo/Leipold, § 2078 Rn 1.
[2] MüKo/Leipold, § 2078 Rn 3.
[3] BayObLGZ 1971, 147, 150.
[4] MüKo/Leipold § 2078 Rn 4; nach Ansicht des BGH NJW 1985, 2025, 2026 dient die Anfechtung vor allem dazu, den hypothetischen Willen des Testierenden zu ermitteln u. diesem zum Erfolg zu verhelfen.

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