Gesetzestext

 

Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Zuwendung nur gelten soll, wenn der Bedachte den Eintritt der Bedingung erlebt.

A. Allgemeines

I. Normzweck

 

Rz. 1

§ 2074 BGB ist eine Auslegungsregel. Dies geht aus der Formulierung "im Zweifel" klar hervor.[1] § 2074 BGB regelt lediglich einen Einzelfall und setzt die Zulässigkeit einer aufschiebenden Bedingung bei einer Verfügung von Todes wegen voraus. Es wird der Fall erfasst, dass der Zuwendungsempfänger vor Eintritt der Bedingung verstorben ist. Für die Aufnahme des § 2074 BGB in das Gesetz war entscheidend, dass der Erblasser einer lebenden Person etwas zuwenden will. Er stellt sich den Bedachten als im Falle des Eintritts der Bedingung lebend vor. Es kommt ihm daher einzig und allein auf die Person an sich an. Die Zuwendung soll sich im Zweifel nicht auf die Erben des Zuwendungsempfängers erstrecken. Maßgeblich ist allein der Wille des Erblassers. Dieser kann sich entweder ausdrücklich oder stillschweigend aus der Verfügung von Todes wegen ergeben.

[1] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 1; Soergel/Loritz, § 2074 Rn 3.

II. Können Verfügungen von Todes wegen an Bedingungen geknüpft werden?

1. Zulässigkeit von Bedingungen bei Verfügungen von Todes wegen

 

Rz. 2

Nach geltender Rspr. ist es zulässig, Verfügungen von Todes wegen mit Bedingungen zu verknüpfen.[2] Diese Zulässigkeit wurde jedoch nicht explizit im Gesetz verankert, da man davon ausgeht, dass diese bereits aus den allg. Bestimmungen des BGB (§§ 158 ff. BGB) und auch aus den Regelungen der §§ 2074 ff. BGB zu entnehmen ist.

[2] BayObLGZ 1993, 248, 251 = FamRZ 1993, 1494.

2. Arten von Bedingungen

a) Definition

 

Rz. 3

Nach den allg. Vorschriften gem. §§ 158 ff. BGB liegt eine Bedingung dann vor, wenn ein Rechtsgeschäft vom Eintritt bzw. Nichteintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses abhängig ist. Handelt es sich um Umstände, die vorliegen müssen, damit die Rechtswirkungen eintreten, spricht man von sog. Rechtsbedingungen. Bei dem Zusatz "für den Fall meines Todes" handelt es sich um eine solche Rechtsbedingung.[3] Für derartige gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen gelten die Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB und des Erbrechts über Bedingungen nicht.[4]

Macht der Erblasser die letztwillige Verfügung von einer Bedingung abhängig, so bedarf diese Bedingung der Testamentsform. Eine Bedingung, die in einem Testament unterhalb der Unterschrift angebracht und nicht erneut unterschrieben wird, ist unwirksam.[5]

[3] MüKo/Leipold, § 2074 Rn 6.
[4] Soergel/Loritz, § 2074 Rn 12.

b) Abgrenzung Bedingung – Beweggrund

 

Rz. 4

Von der Bedingung ist der Beweggrund, das Motiv der letztwilligen Verfügung, zu unterscheiden. Es ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich lediglich um ein Motiv handelt oder ob eine Bedingung vorliegt. Wenn die Rechtswirkungen nicht vom Eintritt eines bestimmten Umstandes abhängig sind, sondern lediglich deren Beweggrund darstellen, handelt es sich lediglich um ein Motiv und nicht um eine Bedingung.[6] Dies bedeutet, dass lediglich vom Vorliegen eines Beweggrundes auszugehen ist, wenn eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Vorliegen bzw. dem Eintritt des motivierenden Umstandes und der Rechtswirkung nicht bestehen soll. Die bloße Motivangabe ist jedoch nicht ohne rechtliche Bedeutung.[7] Mit einer Auslegung dahingehend, dass eine Bedingung vorliegt, sollte dabei äußerst restriktiv umgegangen werden. Entscheidend ist einzig und allein der Wille des Erblassers.[8] Formulierungen wie "wenn ich während dieses Urlaubs, auf dieser Reise,[9] bei dieser Operation versterbe[10]" stellen i.d.R. keine Bedingungen, sondern lediglich Motive dar.[11] Dies gilt auch für die Formulierung "im Falle eines plötzlichen Todes des Ehegatten".[12] Der Nichteintritt des Ereignisses, wie die Rückkehr aus dem Urlaub usw., ändert nichts an der Geltung der letztwilligen Verfügung bzw. der Übereinstimmung der letztwilligen Verfügung mit dem Willen des Erblassers.[13] Ordnet der Erblasser an, dass die Zuwendung für die Aufnahme bei Krankheit oder Pflegefall erfolgt, ist im Wege der Auslegung zu klären, ob eine Bedingung vorliegt oder es sich nur um die Angabe des Beweggrundes handelt.[14] Im Falle, dass der Erblasser ein bestimmtes Verhalten vom Bedachten erwartet, kann es sich ebenfalls lediglich um die Angabe eines Motivs handeln.[15] Auch wenn seitens des Erblassers ein bestimmtes Verhalten nach dem Erbfall erwartet wird bzw. er den Bedachten zu einem bestimmten Verhalten veranlassen will, ist eingehend zu überprüfen, ob tatsächlich eine Bedingung vorliegt oder der Erblasser lediglich einen Wunsch oder eine Erwartung geäußert bzw. eine Empfehlung ausgesprochen hat. Es kommt darauf an, ob die Auslegung ergibt, ob der Erblasser die Rechtswirkung sofort bzw. nur dann eintreten lassen will, wenn der Bedachte sich entsprechend verhält, oder ob der Erblasser den Bedachten unbedingt bedenken will, weil er (irrtümlich) von einem bestimmten Verhalten bzw. Eintritt eines Umstandes in der Zukunft oder Vergangenheit ausgeht. Bei der Bedingung hat der Erblasser den Fall, dass der erwartete Umstand nicht eintritt, bereits einkalkuliert und will hiervon ...

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