Gesetzestext

 

(1)1Aus dem Nachlass sind zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. 2Ist eine Nachlassverbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie streitig, so ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten.

(2)Fällt eine Nachlassverbindlichkeit nur einigen Miterben zur Last, so können diese die Berichtigung nur aus dem verlangen, was ihnen bei der Auseinandersetzung zukommt.

(3)Zur Berichtigung ist der Nachlass, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift soll zugunsten der Miterben verhindern, dass der Nachlass vor Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verteilt wird, und weicht damit von den allg. Vorschriften der §§ 755, 2042 Abs. 2 BGB ab, wonach die Begleichung bei der Auseinandersetzung zu erfolgen hätte. Der Grund hierfür liegt in der Haftungsänderung nach der Auseinandersetzung des Nachlasses: Die Erben haften zwar immer noch als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB), im Innenverhältnis ist jedoch der Nachlass nicht mehr als Haftungsmasse als solche vorhanden, sondern unter den Erben bereits verteilt (und möglicherweise untergegangen), so dass mögliche Ersatzansprüche der Erben untereinander (§ 426 BGB) nicht oder nur schwer zu befriedigen sind. Darüber hinaus haften die Erben nach der Teilung gegenüber den Nachlassgläubigern nicht mehr lediglich mit dem Nachlass, sondern mit ihrem Eigenvermögen, §§ 2059, 2060 BGB. Eine vor Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten erhobene Teilungsklage ist unbegründet, weil der Nachlass noch nicht teilungsreif ist.[1] Die Vorschrift entspricht den Regelungen der §§ 733, 1475 BGB.

B. Tatbestand

I. Abs. 1

 

Rz. 2

Was zu den Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. Abs. 1 S. 1 gehört, ergibt sich aus § 1967 Abs. 2 BGB. "Streitig" oder "nicht fällig" ist eine Nachlassverbindlichkeit i.S.v. Abs. 1 S. 2 bereits dann, wenn nur unter den Miterben Streit über die Verbindlichkeit besteht.[2] Bei Streit über Ausgleichungspflichten nach §§ 2050 ff. BGB soll nach einer Auffassung Abs. 1 S. 2 entsprechend gelten.[3] Dies kann nicht überzeugen: Der Gesetzgeber hat in § 1967 Abs. 2 BGB die Nachlassverbindlichkeiten u.a. bestimmt als die "den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten". Die Ausgleichungspflicht ist jedoch gerade keine Verbindlichkeit, sondern (lediglich) eine Berechnungsregel.[4] Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber einerseits bei § 1967 BGB die Ausgleichungspflicht "versehentlich" nicht als Nachlassverbindlichkeit geregelt und dann auch noch bei § 2046 BGB übersehen hat, dass mit der Verwendung dieses Begriffes die Ausgleichungspflicht nicht erfasst wird. Ausgehend von der ratio legis (siehe Rdn 1) besteht aber auch gar keine Notwendigkeit, § 2046 BGB entsprechend anzuwenden, denn der ausgleichungsberechtigte Miterbe läuft nicht Gefahr, nach der Auseinandersetzung "mit leeren Händen dazustehen": Da die Ausgleichung bei der Auseinandersetzung von dem noch verbliebenen Nachlass zu berücksichtigen ist, ist der auszukehrende Nachlass begriffsnotwendig immer ausreichend (zu Einzelheiten siehe § 2050 Rdn 1 ff.). Mag es vielleicht wünschenswert sein, die oft komplizierten und "streitintensiven" Fragen der Ausgleichungspflicht aus der Auseinandersetzung herauszuhalten, so gibt das Gesetz hierfür nichts her, weder direkt noch "entsprechend". Es bleibt den Erben aber natürlich freigestellt, insoweit einvernehmlich eine "Rückstellung" zu bilden; jedoch hat ein Erbe hierauf keinen klagbaren Anspruch.

 

Rz. 3

I.R.d. "Zurückbehaltung" hat kein Miterbe Anspruch auf Sicherheitsleistung[5] oder Hinterlegung.[6] Zur Frage, ob die Erbengemeinschaft auch bei Zurückbehalten von Werten i.R.d. Abs. 1 geteilt i.S.v. § 2059 BGB sein kann, siehe § 2059 Rdn 4 f.[7]

Zu Forderungen von Miterben gegen den Nachlass siehe Rdn 9.

[2] Staudinger/Löhnig, § 2046 Rn 17.
[3] Staudinger/Löhnig, § 2046 Rn 17 unter Hinw. auf KG OLGE 9, 389, 391.
[4] Palandt/Weidlich, § 2050 Rn 2; insoweit dann auch MüKo/Ann, § 2050 Rn 17.
[5] Protokolle S. 8147, zit. nach Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Bd. V, S. 506.
[6] MüKo/Ann, § 2046 Rn 11.
[7] Rißmann/Goertz, Die Erbengemeinschaft, § 6 Rn 58 ff.

II. Abs. 2

 

Rz. 4

Der Erblasser hat es in der Hand, durch Teilungsanordnung zu bestimmen, dass Vermächtnisse oder Auflagen nur von einzelnen Miterben zu tragen sind. Abs. 2 betrifft aber bspw. auch den Fall, dass die Pflichtteilslast im Innenverhältnis aufgrund § 2320 BGB nur einen oder einige Miterben trifft. Für diesen Fall schränkt Abs. 2 den Anspruch aus Abs. 1 ein: Da die übrigen Miterben von der Verbindlichkeit nicht betroffen sind, muss "ihr" Anteil auch nicht für die Begleichung herhalten. Durch diese Regelung erfolgt letztlich eine gewisse "Vorab-Auseinandersetzung", da der Anteil des betroffenen Miterben vorab zu ermitteln ist und ggf. auch Nachlassgegenstände "versilbert" werden müssen. Weil Abs. 2 den Grundsatz Abs. 1 lediglich einschränkt, ihn jedoch nicht ausschließt, können die Miterben gleichwohl die Berichtigung auch dieser, nur sie betreffenden Nachlassverbindlichkeiten vor...

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