Gesetzestext

 

Die Haftung des Erbschaftsbesitzers bestimmt sich auch gegenüber den Ansprüchen, die dem Erben in Ansehung der einzelnen Erbschaftsgegenstände zustehen, nach den Vorschriften über den Erbschaftsanspruch.

A. Allgemeines

I. Anspruchskonkurrenz der Einzelansprüche mit dem Erbschaftsanspruch

 

Rz. 1

Der Erbe kann gegenüber dem Erbschaftsbesitzer den Erbschaftsanspruch als Gesamtanspruch geltend machen, er kann ihm gegenüber aber auch seine schuldrechtlichen oder dinglichen Einzelansprüche auf Herausgabe von Nachlassgegenständen, Herausgabe der Bereicherung oder auf Schadensersatz geltend machen.[1] Es kann somit zu einer Anspruchskonkurrenz zwischen dem Gesamtanspruch und den Einzelansprüchen des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer kommen. Um dem Erbschaftsbesitzer die durch §§ 2018 ff. BGB gewährten Vorzüge zu sichern (z.B. Ersatz aller Verwendungen nach § 2020 BGB), ordnet § 2029 BGB an, dass die Haftung des Erbschaftsbesitzers sich auch gegenüber den Einzelklagen des Erben nach den Vorschriften über den Erbschaftsanspruch bestimmt. Der Erbschaftsbesitzer muss allerdings auch die damit in Verbindung stehenden Nachteile tragen (z.B. Herausgabe aller Nutzungen nach § 2020 BGB).

[1] MüKo/Helms, § 2029 Rn 1.

II. Modifikation der Einzelansprüche "ipso iure"

 

Rz. 2

Die mit dem Erbschaftsanspruch in Anspruchskonkurrenz stehenden Einzelansprüche werden ipso iure inhaltlich modifiziert. Der Inhalt der Einzelansprüche wird also nach den Vorschriften über den Erbschaftsanspruch angepasst.[2] Der Erbe muss somit nicht etwa ein Gestaltungsrecht ausüben; das Gericht hat die durch § 2029 BGB bewirkten Modifikationen der Einzelansprüche vielmehr von Amts wegen zu berücksichtigen, sobald unstreitig oder erwiesen ist, dass der Beklagte nach §§ 2018 ff. BGB haftet.[3] Die Berücksichtigung von Amts wegen spielt vor allem bei der Modifikation der §§ 812, 818 Abs. 2 u. 3 BGB sowie der §§ 989, 990 Abs. 1 S. 1 BGB durch § 2021 BGB sowie bei der Modifikation der §§ 823, 992 BGB durch § 2025 BGB eine Rolle.[4] Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 2029 BGB (insbesondere, ob der Beklagte Erbschaftsbesitzer ist) prüft das Gericht hingegen nicht von Amts wegen, diese sind von den Parteien vorzutragen. Die Berücksichtigung von Amts wegen bedeutet nicht, dass das Gericht auch etwaige Einreden des Beklagten von Amts wegen berücksichtigen würde. So muss der Beklagte sein Zurückbehaltungsrecht wegen gemachter Verwendungen oder die Verjährung der Ansprüche natürlich selbst vortragen.[5] Diese Modifikation ändert jedoch nichts am Bestehen der Einzelansprüche. Der Erbe kann gegenüber dem Erbschaftsbesitzer auch lediglich die schuldrechtlichen oder dinglichen Einzelansprüche geltend machen.[6] Er kann die Tatsache des Erbschaftsbesitzes des Beklagten vortragen oder nicht. Macht er dies nicht, entscheidet das Gericht lediglich aufgrund der nicht durch § 2029 BGB modifizierten Einzelansprüche. Es besteht dann aber für den Beklagten seinerseits die Möglichkeit, die für seine Qualifizierung als Erbschaftsbesitzer erforderlichen Tatsachen vorzutragen.[7]

[2] Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 5.
[3] MüKo/Helms, § 2029 Rn 3.
[4] Vgl. hierzu im Einzelnen Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 2.
[5] Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 2.
[6] Soergel/Dieckmann, § 2029 Rn 1.
[7] Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 2.

B. Tatbestand

I. Anwendbarkeit aller Vorschriften zur Leistungspflicht des Erbschaftsbesitzers

 

Rz. 3

Anwendbar sind grundsätzlich alle Vorschriften, die Art und Umfang der Leistungspflicht des Erbschaftsbesitzers nach §§ 2018 ff. BGB betreffen.[8] Somit sind die Vorschriften über die Herausgabe der Surrogate nach § 2019 BGB, die Herausgabe der Nutzungen nach § 2020 BGB sowie die Herausgabe der Bereicherung nach § 2021 BGB anzuwenden. Dies führt dazu, dass der erbrechtlich nicht verschärft haftende Erbschaftsbesitzer gegenüber allen Bereicherungsansprüchen des Erben die ihm durch die Erbschaft verursachten Ausgaben als Minderung der Bereicherung geltend machen kann.[9] Auch § 2022 BGB findet Anwendung, der Erbschaftsbesitzer kann seine erweiterten Verwendungsersatzansprüche auch gegenüber den Herausgabeansprüchen des Erben aus den §§ 985, 1007 BGB geltend machen. Schließlich finden auch die Vorschriften über die Wirkung der Rechtshängigkeit nach § 2023 BGB, die gegenüber § 819 BGB verschärften Wirkungen der Bösgläubigkeit nach §§ 2024 u. 2026 BGB Anwendung. Der Erbschaftsbesitzer kann also auch dann, wenn der Erbe lediglich einen Einzelanspruch geltend macht, die Einrede der Verjährung entsprechend § 2026 BGB entgegensetzen, wenn (zumindest) der Erbschaftsanspruch selbst bereits verjährt ist.[10] Umgekehrt gilt die Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch in Ansehung der Einzelansprüche. Die Einzelklage führt nicht zur rechtskräftigen Feststellung des Erbrechts, dies ist nur durch eine vom Beklagten erhobene Feststellungswiderklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) möglich.[11]

[8] MüKo/Helms, § 2029 Rn 3.
[9] Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 2.
[10] Staudinger/Gursky, § 2029 Rn 6.
[11] Vgl. Soergel/Dieckmann, § 2029 Rn 5.

II. Besitzschutzansprüche

 

Rz. 4

Auch die Besitzschutzansprüche aus §§ 858, 861, 862 BGB zählen zu den durch § 2029 BGB modifizierten Einzelansprüchen.[12] Dies führt dazu, dass der gutgläubige Erbschaftsbesitzer trotz der Regelung des §...

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