Gesetzestext

 

Der Erbschaftsbesitzer hat dem Erben die gezogenen Nutzungen herauszugeben; die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auch auf Früchte, an denen er das Eigentum erworben hat.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Durch die Regelung des § 2020 BGB wird die in § 2018 BGB normierte Herausgabepflicht des Erbschaftsbesitzers auf alle Nutzungen erstreckt, die der Erbschaftsbesitzer aus Nachlassgegenständen gezogen hat. Es handelt sich hierbei um einen unselbstständigen Teil des Gesamtanspruchs auf Herausgabe des durch die Erbschaft Erlangten. Als solcher unterliegt er ebenfalls der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

B. Tatbestand

 

Rz. 2

§ 2020 BGB erstreckt die Herausgabepflicht des Erbschaftsbesitzers auf alle vom Erbschaftsbesitzer aus Erbschaftsgegenständen gezogenen Nutzungen (also unmittelbare u. mittelbare Sachfrüchte, Rechtsfrüchte u. Gebrauchsvorteile, §§ 100, 99 BGB), unabhängig davon, ob der Erbschaftsbesitzer gutgläubig oder bösgläubig war.[1] Ob der Herausgabeanspruch dinglicher oder lediglich schuldrechtlicher Natur ist, hängt von den herauszugebenden Nutzungen ab.

[1] Soergel/Dieckmann, § 2020 Rn 1.

C. Rechtsfolgen

I. Herausgabe der unmittelbaren Sachfrüchte

 

Rz. 3

Der Erbschaftsbesitzer hat an den Erben die unmittelbaren Sachfrüchte herauszugeben. Unmittelbare Sachfrüchte nach § 99 BGB sind die Erzeugnisse einer Sache, d.h. alle natürlichen Tier- und Bodenprodukte (Milch, Obst, Pflanzen) und ihre Ausbeute (Kohle). Die unmittelbaren Sachfrüchte fallen mit der Trennung in das Eigentum des Erben (§§ 953 ff. BGB). War der Erbschaftsbesitzer im Zeitpunkt der Trennung bereits bösgläubig, so hat der Herausgabeanspruch des Erben einen dinglichen Charakter, weil der Erbe Sachfrüchte herausverlangt, an denen er nach § 953 BGB Eigentum erworben hat.[2] Der gutgläubige Erbschaftsbesitzer erwirbt hingegen nach § 955 BGB an den unmittelbaren Sachfrüchten mit der Trennung Eigentum, so dass der Herausgabeanspruch des Erben nach Hs. 2 dann nur obligatorischen Charakter hat. Der gutgläubige Erbschaftsbesitzer haftet nicht für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen. Stand dem Erblasser an den unmittelbaren Früchten von Sachen kein Fruchtziehungsrecht zu, sind diese dennoch an den Erben herauszugeben.[3] Zu beachten ist in diesem Fall, dass an solchen Früchten weder der bösgläubige Erbschaftsbesitzer noch der Erbe Eigentum erwerben können und dem Erben daher lediglich ein aussonderungsfähiger Anspruch zusteht.

[2] Staudinger/Gursky, § 2020 Rn 2.
[3] Soergel/Dieckmann, § 2020 Rn 3.

II. Herausgabe der mittelbaren Sachfrüchte und Rechtsfrüchte

 

Rz. 4

Die mittelbaren Sachfrüchte (Mietzinsforderung aus der Vermietung einer Nachlasssache) und Rechtsfrüchte (Darlehenszinsen aus einem vom Erblasser gewährten Darlehen) werden durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erworben, so dass auch hier das Surrogationsprinzip des § 2019 BGB greift und der Herausgabeanspruch deshalb dinglichen Charakter hat.[4] Für eine Einschränkung des Surrogationsgrundsatzes durch die Annahme eines lediglich schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs[5] besteht im Hinblick auf den Schutz des Erben kein Raum.

[4] MüKo/Helms, § 2020 Rn 4.
[5] Palandt/Weidlich, § 2020 Rn 1.

III. Herausgabe der Gebrauchsvorteile

 

Rz. 5

Hat der Erbschaftsbesitzer Gebrauchsvorteile gezogen, so steht dem Erben ein schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung zu (§§ 818 Abs. 2, 2021 BGB). Hat der Erbschaftsbesitzer ein zum Nachlass gehörendes Fahrzeug benutzt und dadurch Aufwendungen erspart, hat der Erbe Anspruch auf Wertersatz der ersparten Aufwendungen.[6]

[6] MüKo/Helms, § 2020 Rn 5.

IV. Gegenstand des Herausgabeanspruchs

 

Rz. 6

Die Nutzungen sind, soweit sie noch vorhanden sind, in Natur herauszugeben. Ist der Erbschaftsbesitzer zur Herausgabe nicht in der Lage, hat er nach §§ 818 Abs. 2 u. 3, 2021 BGB den Wert zu erstatten. Dies gilt auch für die Fälle, in welchen lediglich ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch besteht.[7] Für die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen haftet der gutgläubige Erbschaftsbesitzer nicht. Eine Verschärfung seiner Haftung gegenüber dem Erben tritt nach §§ 2023, 2024 BGB mit der Rechtshängigkeit des Erbschaftsanspruchs oder Bösgläubigkeit ein.

[7] Staudinger/Gursky, § 2020 Rn 6.

V. Fehlende eigene Nutzungsberechtigung des Erblassers

 

Rz. 7

Gezogene Nutzungen von Sachen, die nur tatsächlich zum Nachlass gehört haben, an welchen dem Erblasser aber weder ein dingliches Nutzungsrecht noch eine obligatorische Nutzungsbefugnis zugestanden hat, sind ebenfalls von dem Erbschaftsbesitzer an den Erben herauszugeben.[8] Der Erbe wiederum ist dem Eigentümer gegenüber aufgrund des § 812 BGB (Eingriffskondiktion) zur Weiterleitung der Nutzung verpflichtet.

[8] MüKo/Helms, § 2020 Rn 3.

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