Gesetzestext

 

Befindet sich bei dem Nachlassgericht schon ein den Vorschriften der §§ 2002, 2003 entsprechendes Inventar, so genügt es, wenn der Erbe vor dem Ablauf der Inventarfrist dem Nachlassgericht gegenüber erklärt, dass das Inventar als von ihm eingereicht gelten soll.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Bezugnahme auf ein bereits beim Nachlassgericht befindliches Inventar stellt – neben dem vom Erben selbst errichteten (§§ 1993, 2002 BGB) und dem amtlich aufgenommenen (§ 2003 BGB) Inventar – die dritte Möglichkeit der Inventarerrichtung für den Erben dar. Voraussetzung ist, dass das vorhandene Inventar entweder der Vorschrift des § 2002 BGB oder des § 2003 BGB entspricht. Gleichgültig ist, ob bereits eine Inventarfrist dem Erben bestimmt wurde.[1] Läuft allerdings eine Inventarfrist, ist auch die Bezugnahme fristgebunden.[2] Nicht geregelt ist der Fall, dass ein von einer anderen Person – einem Miterben, einem Vorerben, einem Erbschaftskäufer oder -verkäufer – errichtetes Inventar kraft Gesetzes auch zugunsten des Erben wirkt (§§ 2063, 2144 Abs. 2, 2383 Abs. 2 BGB). Eine Bezugnahme ist dann nicht erforderlich. Das gilt auch für den Fall, dass der Erbe selbst oder ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Erben (z.B. der Nachlasspfleger) bereits ein Inventar eingereicht hat.[3]

 

Rz. 2

In den Anwendungsbereich der Bestimmung fallen vielmehr diejenigen Inventare, die von einem Erbschaftsbesitzer, von einem Erben, der die Erbschaft später ausgeschlagen bzw. die Annahme der Erbschaft angefochten hat, von einem auftraglosen Geschäftsführers, von einem nicht ausgewiesenen Bevollmächtigten, von einem Testamentsvollstrecker, von einem Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter und schließlich auch von dem Nachlassgericht selbst errichtet wurden.[4] Es kann nicht Bezug genommen werden auf ein reines "Privatinventar", auf Bestandsverzeichnisse nach den §§ 2012, 2027 und 2038 BGB, sofern diese nicht den Vorschriften der §§ 2002, 2003 BGB entsprechen.[5]

[1] Str., wie hier: Staudinger/Dobler, § 2004 Rn 1 m.w.N.
[2] Palandt/Weidlich, § 2004 Rn 1.
[3] MüKo/Küpper, § 2004 Rn 1.
[4] Staudinger/Dobler, § 2004 Rn 7; BeckOK BGB/Lohmann, § 2004 Rn 1.
[5] MüKo/Küpper, § 2004 Rn 1.

B. Tatbestand

 

Rz. 3

Die Bezugnahme erfolgt durch formlose Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Ist dem Erben eine Inventarfrist gesetzt, muss die Erklärung dem Nachlassgericht innerhalb der Frist zugehen. Insbesondere bei Fristsetzung ist es tunlich, die Erklärung dem zuständigen Nachlassgericht (§ 343 FamFG) gegenüber entweder schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben (§ 25 FamFG). Sie kann auch durch einen Bevollmächtigten erfolgen.[6] Die Vollmachtsurkunde kann nachgereicht werden.[7]

[6] BeckOK BGB/Lohmann, § 2004 Rn 2.
[7] Staudinger/Dobler, § 2004 Rn 8; MüKo/Küpper, § 2004 Rn 2.

C. Rechtsfolgen

 

Rz. 4

Mit dem Eingang der Bezugserklärung, d.h. der Erklärung, dass ein bereits beim Nachlassgericht befindliches Inventar als von ihm eingereicht gelten soll, beim zuständigen Nachlassgericht hat der Erbe "ein Nachlassinventar errichtet", das die gesetzlichen Folgen eines Inventars nach den Vorschriften der §§ 2002 und 2003 BGB auslöst. Durch die Bezugnahme auf das (ihm fremde) Inventar kann der Erbe sich einer Inventaruntreue schuldig machen, wenn er die Unrichtigkeit kennt (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB). Hält der Erbe das in Bezug genommene Inventar gutgläubig für richtig, dürfte eine Inventaruntreue nicht vorliegen. Ihm dürfte daher analog § 2005 Abs. 2 BGB eine neue Inventarfrist zur Errichtung eines richtigen Inventars oder zur Ergänzung des in Bezug genommenen Inventars gesetzt werden können.[8]

[8] Staudinger/Dobler, § 2004 Rn 9, 10; BeckOK BGB/Lohmann, § 2004 Rn 2; MüKo/Küpper, § 2004 Rn 3.

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