Gesetzestext

 

Die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit durch den Erben müssen die Nachlassgläubiger als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreiche.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Der Erbe, der Nachlassverbindlichkeiten tilgt, besorgt den Nachlass betreffende Geschäfte, gleichgültig, ob er dabei eigene oder Mittel aus dem Nachlass verwendet.[1] Die Vorschrift des § 1979 BGB bestimmt nun, unter welchen Voraussetzungen derjenige Erbe, der Nachlassverbindlichkeiten aus eigenen Mitteln beglichen hat, Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, und derjenige Erbe, der Nachlassverbindlichkeiten aus Mitteln des Nachlasses beglichen hat, von Schadensersatzansprüchen der übrigen Nachlassgläubiger aus § 1978 Abs. 1 BGB, freigestellt ist. Sie ergänzt deshalb § 1978 BGB. Nach §§ 670, 1978 Abs. 3 BGB könnte der Erbe Aufwendungen zur Begleichung einer Nachlassverbindlichkeit nur dann ersetzt verlangen, wenn er sie den Umständen nach im Interesse aller Nachlassgläubiger für erforderlich halten durfte (vgl. § 1978 Rdn 10–12). § 1979 BGB lässt demgegenüber ausreichen, dass der Erbe im Einzelfall davon ausgehen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreiche. Ist das der Fall, kann der Erbe Aufwendungsersatz verlangen, wenn er eigene Mittel eingesetzt hat; hat er Nachlassmittel verwandt, haben die übrigen Gläubiger auch bei Unzulänglichkeit des Nachlasses keine Erstattungsansprüche. Diese Regelung dient dem Schutz des Erben.[2] Dass die Erfüllung einer einzelnen Nachlassverbindlichkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gilt, liegt auch im Interesse der Gesamtheit der Nachlassgläubiger.[3]

 

Rz. 2

Nicht anwendbar ist § 1979 BGB, wenn der Erbe allen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet (§ 2013 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei unbeschränkter Haftung tritt der Erbe auch nicht gem. § 326 Abs. 2 InsO in die Rechtsstellung des Gläubigers ein.[4] Dass der Erbe nur einzelnen Gläubigern gegenüber unbeschränkt haftet, schließt die Anwendung des § 1979 BGB dagegen nicht aus (§ 2013 Abs. 2 BGB). Bei dürftigem oder überschwertem Nachlass (§§ 1990, 1992 BGB) verweist § 1991 BGB ebenfalls auf § 1979 BGB. Gem. § 1985 Abs. 2 BGB gilt § 1979 BGB entsprechend für den Nachlassverwalter.[5]

[1] MüKo/Küpper, § 1979 Rn 1.
[2] BeckOK BGB/Lohmann, § 1979 Rn 1.
[3] Erman/Horn, § 1979 Rn 1.
[4] Staudinger/Dobler, § 1979 Rn 3.
[5] BeckOK BGB/Lohmann, § 1979 Rn 2.

B. Tatbestand

I. Voraussetzungen

 

Rz. 3

Eine als für Rechnung des Nachlasses erfolgt geltende Tilgung von Schulden des Erblassers setzt lediglich voraus, dass der Erbe davon ausgehen durfte, dass genügend Nachlassmasse zur Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten vorhanden ist.[6] Der Erbe braucht sich demgegenüber nicht zu fragen, ob die Tilgung im Einzelfall den Interessen des Gläubigers entsprach. Das Wissen des Testamentsvollstreckers um die Unzulänglichkeit des Nachlasses braucht sich der Erbe nicht zurechnen zu lassen.[7]

 

Rz. 4

Stets müssen es die Umstände des Einzelfalls gewesen sein, die den Erben zu der Annahme berechtigt haben, der Nachlass reiche aus. Der Erbe hat insoweit eine eigene Prüfungspflicht.[8] Ihn trifft daher die Pflicht, vor einer Zahlung an Nachlassgläubiger sorgfältig zu prüfen, einerseits welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und in Zukunft noch entstehen können, sowie andererseits welche Nachlassaktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus der Verwertung der Aktiva erlangen wird.[9] Hierzu wird es in aller Regel einer möglichst vollständigen Sichtung des Nachlasses, eingehender Durcharbeitung der Unterlagen des Erblassers, Rückfragen z.B. bei Angehörigen und möglichen Vertragspartnern und auch sonstiger Ermittlungen bedürfen. Auf derartige mühevolle und oft auch kostspielige Vorarbeiten, die im allg. sogar kaum Aufschub dulden, wird selbst dann nicht völlig verzichtet werden können, wenn der Erbe zu dem Erblasser in engen Beziehungen stand und deshalb von vornherein mit den Verhältnissen vertraut ist. Auch wenn es sich sonst um (scheinbar) klare und übersichtliche Verhältnisse handelt, ist es im allg. geboten, dass der Erbe die Nachlassaktiva und -passiva vollständig erfasst und bewertet und mindestens in groben Zügen aufzeichnet. Hat der Erbe Grund zu der Annahme, dass Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, die ihm trotz aller gebotenen Klärungsversuche noch nicht bekannt geworden sind (§ 1980 Abs. 2 S. 2 BGB), dann muss er grundsätzlich auch das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen.[10] Ohne ein solches Vorgehen, dessen Einzelheiten je nach den Umständen durch die Gebote des Einzelfalls bestimmt werden, darf der Erbe nicht von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen; ohne sie darf er demgemäß keine Nachlassverbindlichkeiten berichtigen (§ 1979 BGB). Leistet er gleichwohl, dann handelt er pflichtwidrig und haftet den dadurch benachteiligten Gläubigern nach § 1978 BGB.[11]

 

Rz. 5

Auch rechtskräftiges Urtei...

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