Gesetzestext

 

(1)Das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, ist vererblich.

(2)Stirbt der Erbe vor dem Ablauf der Ausschlagungsfrist, so endigt die Frist nicht vor dem Ablauf der für die Erbschaft des Erben vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist.

(3)Von mehreren Erben des Erben kann jeder den seinem Erbteil entsprechenden Teil der Erbschaft ausschlagen.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Das Ausschlagungsrecht ist als höchstpersönliches Recht nicht rechtsgeschäftlich übertragbar und kann auch mit einer Veräußerung des Erbteils oder einer Verfügung über einen Erbteil (§§ 2033 ff. BGB) nicht an einen Erwerber übergehen.[1] Hinzu käme, dass eine solche Handlung regelmäßig als stillschweigende Annahmeerklärung zu werten wäre. Das Ausschlagungsrecht des Erben geht nach § 1952 BGB jedoch auf den Erbeserben (Erbe des Erben) über. Grundlage dieses Überganges ist das gewillkürte oder gesetzliche Erbrecht des Erbeserben.

[1] MüKo/Leipold, § 1952 Rn 1; näher v. Lübtow, JZ 1969, 502 f.

B. Tatbestand

I. Ausschlagungsszenarien

 

Rz. 2

Folgende Ausschlagungsszenarien sind nach Abs. 1 denkbar:[2]

Der Erbeserbe kann beide Erbschaften annehmen,
der Erbeserbe kann die Erbschaft des Erben annehmen und die vorherige Erbschaft ausschlagen oder
der Erbeserbe kann die Erbschaft des Erben ausschlagen und wird schon deswegen nicht Erbe der vorherigen Erbschaft.
 

Rz. 3

Nicht möglich ist also Ausschlagung der zweiten Erbschaft und Annahme der vorherigen Erbschaft. Erklärt der Erbeserbe zunächst ausdrücklich die Annahme oder Ausschlagung der ersten Erbschaft, so liegt darin regelmäßig aber die stillschweigende Annahme der zweiten Erbschaft.[3] Schlägt der Erbeserbe jedoch ausdrücklich die zweite Erbschaft aus, so wird die Erklärung bzgl. der ersten Erbschaft unwirksam.[4] Verfügungen des vorläufigen Erben über die erste oder zweite Erbschaft können unter den Voraussetzungen des § 1959 Abs. 2 BGB auch dem endgültigen Erben gegenüber Wirksamkeit haben. Nimmt der Erbe die Erbschaft bereits an, so kann der Erbeserbe die Ausschlagung der vorherigen Erbschaft nicht mehr erklären.[5]

[2] Z.B. Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 2; Soergel/Stein, § 1952 Rn 2.
[3] Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 3; Staudinger/Otte, § 1952 Rn 2; diff. MüKo/Leipold, § 1952 Rn 5 f., a.A. Soergel/Stein, § 1952 Rn 2 mangels entsprechender Erfahrungssätze nur für die Annahme.
[4] Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 3.
[5] Soergel/Stein, § 1952 Rn 1.

II. Ausschlagungsfrist

 

Rz. 4

Stirbt der Erbe vor Kenntnisnahme vom Anfall der Erbschaft und des Berufungsgrundes (§ 1944 Abs. 1 BGB), so läuft die Ausschlagungsfrist auch für den Erbeserben noch nicht und beginnt erst mit dessen Kenntnisnahme.[6] Teilweise Kenntnisse von Umständen des § 1944 Abs. 1 BGB durch den vorverstorbenen Erben muss sich der Erbeserbe nicht zurechnen lassen. Grundsätzlich sind die Ausschlagungsfristen der ersten und zweiten Erbschaft selbstständig und laufen getrennt.[7] Läuft die Ausschlagungsfrist für den vorverstorbenen Erben bereits, so muss der Erbeserbe unabhängig von seiner Kenntnis aber in den Lauf der Frist eintreten.[8] Nach Abs. 2 läuft die Ausschlagungsfrist des Erbeserben für die erste Erbschaft dann aber mindestens bis zum Ende der Ausschlagungsfrist für das zweite Erbe (§ 1944 Abs. 1, Abs. 3 Alt. 2 BGB).

[6] Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 4.
[7] Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 4.
[8] Erman/J. Schmidt, § 1952 Rn 5; Soergel/Stein, § 1952 Rn 4.

III. Alleiniger Erbeserbe

 

Rz. 5

Schlägt der alleinige Erbeserbe (Alleinerbeserbe) die vorherige Erbschaft aus, fällt der Nachlass über § 1953 Abs. 1 und 2 BGB den nächstberufenen Erben nach dem Erben an.[9] Das kann, soweit nicht § 1949 Abs. 2 BGB eingreift, erneut der ausschlagende Erbeserbe sein, etwa als Ersatzerbe oder nächstberufener gesetzlicher Erbe. Durch eine Ausschlagung der ersten Erbschaft kann den Gläubigern des ersten Nachlasses auch ein Zugriff auf die zweite Erbschaft verwehrt werden, andernfalls könnten die Gläubiger des ersten Nachlasses auch auf den zweiten Nachlass in der Hand des Erbeserben zugreifen.[10]

[9] BayObLG NJW 1953, 1431 f.; Staudinger/Otte, § 1952 Rn 6.
[10] Staudinger/Otte, § 1952 Rn 6.

IV. Mehrere Erbeserben

 

Rz. 6

Gem. Abs. 3 kann ein jeder Miterbeserbe den auf ihn anfallenden Erbteil – sowohl des zweiten als auch des vorherigen Erbes – ausschlagen. Für die gesamthänderische Verbundenheit der Mit(erbes)erben (§§ 2032 ff. BGB) wird man deswegen den Erstnachlass nicht zum Gesamthandsvermögen der Zweiterbschaft zählen können und zwei getrennte Erbengemeinschaften annehmen müssen.[11] Für die Ausschlagung der zweiten Erbschaft eines Miterbeserben gilt § 1953 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1922 ff. BGB. Schlagen alle Miterben die erste Erbschaft aus, so fällt die Erbschaft wie bei Ausschlagung durch den Alleinerbeserben dem Nächstberufenen nach dem Erben zu. Problematisch ist dagegen die Ausschlagung (nur) der vorherigen Erbschaft durch einen einzelnen oder einige der Miterbeserben. Es stellt sich die Frage, ob in diesem Falle die Nächstberufenen nach dem ursprünglichen Erben den Erbteil erlangen oder dieser mit der ganz h.M. den Miterbeserben anwächst.[12]

[11] Vgl. näher MüKo/Leipold, § 1952 Rn 12 f.; Staudinger/O...

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