Leitsatz

Unter Umständen berechtigte Installation einer Parabolantenne auf dem Dach (in Abwägung der Eigentumsrechte und des Informationsinteresses einschließlich des Rechts auf freie Religionsausübung)

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2, 14 Nr. 1 u. 3, 15, 22 WEG; Art. 4 Abs. 1 u. 2 sowie Art. 5 Abs. 1 GG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. Ein türkischer Antragsteller als Miteigentümer gehörte der alevitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die Hausverwaltung verwies ihn mit Zustimmung der restlichen Eigentümer auf die Möglichkeit, einen zusätzlichen Decoder über eine Kabelgesellschaft für ausländische Sender zu besorgen, da bisher eigene Satellitenanlagen von den Eigentümern kategorisch abgelehnt wurden. Der gerichtliche Antrag, dem Antragsteller das Anbringen einer Satellitenempfangsanlage auf dem Balkon, hilfsweise an einer Stelle des Gemeinschaftseigentums zu gestatten, welche den ordnungsgemäßen Empfang ermögliche und das äußere Erscheinungsbild des Anwesens möglichst wenig beeinträchtige, wies das Amtsgericht zurück. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Anbringung der Antenne am Balkon keinen ordnungsgemäßen Empfang gewährleiste, wies auch das LG die Erstbeschwerde zurück. Der Senat hob die Vorentscheidungen auf und verwies die Streitsache an das LG zurück.
  2. Selbst bei einem vorhandenen Kabelanschluss kann das Informationsinteresse und das Interesse an der Ausübung der Religion eines Wohnungseigentümers dazu führen, dass die übrigen Eigentümer die Anbringung einer Parabolantenne auch auf dem Dach dulden müssen, wenn eine geringere Beeinträchtigung ihrer Eigentumsrechte durch eine andere Anbringung (z. B. auf dem Balkon des Eigentümers) nicht möglich ist.
  3. Bei der erforderlichen Abwägung kommt neben dem Informationsinteresse auch die Freiheit der Religionsausübung und in deren Rahmen der Ermöglichung der Teilnahme an gottesdienstlichen Handlungen ein besonderer Stellenwert zu, insbesondere dann, wenn die Teilnahme an Gottesdiensten einzelnen Bewohnern nicht möglich ist und Fernsehsender, die regelmäßig gottesdienstliche Handlungen ausstrahlen, nur über Satelliten zu empfangen sind. In diesem Zusammenhang können i. Ü. auch deutsche Eigentümer einen Anspruch auf Duldung der Anbringung einer eigenen Parabolantenne haben, wenn ihnen die Teilnahme an Gottesdiensten z. B. wegen Lebens in der Diaspora oder länger dauernder persönlicher Gebrechlichkeit nicht möglich ist und Fernsehsender, die regelmäßig gottesdienstliche Handlungen ausstrahlen, nur über Satelliten empfangen werden können. Diese Fragen wird das LG ggf. zu überprüfen haben (§ 12 FGG).
  4. Wird bei der Abwägung den Eigentumsrechten der anderen Eigentümer vor der Informations- und Religionsausübungsfreiheit Vorzug mit der Begründung gegeben, dass ein "Schüsselwald" zu befürchten sei, müssen die Tatsachengerichte hierzu konkrete tatsächliche Feststellungen treffen, was bisher nicht geschehen ist. Bei solchen Feststellungen muss die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude, die Struktur der Bewohner und der Umstand, dass die Eigentümer die Gestattung auch von dem Abschluss einer Vereinbarung abhängig machen können, nach der der Antragsteller verpflichtet wird, den Anschluss durch andere Eigentümer, die auch vom gleichen Satelliten ausgestrahlte Programme angewiesen sind, bei Bedarf zu gestatten, berücksichtigt werden.
  5. Von einem beachtlichen und damit nicht duldungspflichtigen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist nur auszugehen, wenn eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung vorliegt; hierfür kann auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage genügen. Es sind also vom LG zur Positionierung der Antenne noch Feststellungen zu treffen. Selbst wenn dort die Antenne den optischen Gesamteindruck der Anlage nicht nur unerheblich beeinträchtigen sollte, wäre u. U. ein darin liegender Nachteil von den restlichen Eigentümern hinzunehmen, sofern aufgrund einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen das Interesse des Antragstellers überwiegen sollte. Dabei muss auch die Verbindungsleitung zwischen Wohnung und Antenne berücksichtigt werden, wenn nicht die Leitungsführung durch einen bereits vorhandenen Kabelschacht möglich sein sollte.

    Die Befürchtung etwaiger Nachfolgeeffekte ("Schüsselwald") kann bei Abwägung der beiderseitigen Grundrechte nicht mit abstrakten Gefahren begründet werden. Bei neuerlichen Feststellungen ist auch die ethnische Zusammensetzung der Bewohner zu berücksichtigen. Eigentümer können die Gestattung auch vom Abschluss einer Vereinbarung abhängig machen, nach der ein Antragsteller verpflichtet wird, den Anschluss durch andere Eigentümer, die auch vom gleichen Satelliten ausgestrahlte Programme angewiesen sind, bei Bedarf zu gestatten; technisch ist dies ohne Weiteres durch Austausch des sog. LNB durch ein Mehrfach-LNB möglich.

    Da das verfahrensgegenständliche Einzelhaus nur aus 6 Wohnungen besteht, dürften auch ausländische Bewohner über die Kabelanlage mit Programmen in ihrer Spr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge